John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
noch nicht gesagt, was wirklich in den Kisten ist, und auch nicht bestätigt, ob diese Leute mit dem verschwundenen Material zu tun haben. Der Präsident will so bald wie möglich persönlich mit Medwedew sprechen, aber wer weiß, was das bringt. Außerdem will das Weiße Haus wissen, ob die Rede zur Lage der Nation abgesagt werden soll. So, jetzt weißt du Bescheid.«
Wells legte den Handrücken auf Exleys Stirn, um ihre Temperatur zu fühlen. Sie hatte Fieber. »Du musst dich hinlegen, Jenny.«
»Ich werde in der Krankenabteilung ein paar Stunden schlafen.«
»Warum gehst du nicht nach Hause?«
»Warum kommst du nicht mit?«
Als er schwieg, wurden ihre Augen feucht. Dann verhärteten sich ihre Züge, ihr Gesicht wurde zur Maske, aus der sie nach und nach jedes Gefühl verdrängte.
Sag ja, drängte er sich selbst. Du musst nicht dabei sein. Aber das musste er doch.
»Weißt du was«, sagte sie. »Ich fahre nach Hause und warte da auf dich. Du musst nicht mal kommen. Aber versprich mir eines. Versprich mir, dass du dich raushältst, wenn sie diese Leute finden, und hier bei Ellis bleibst.«
»Es ist meine Operation.«
»Die halbe Armee wird im Einsatz sein. Du wirst nicht gebraucht, du wirst nur im Weg sein. Und wenn die Bombe hochgeht, was dann? Kannst du schneller rennen als der Feuerball?«
»Wenn ich nicht bereit bin, das Risiko einzugehen, kann ich das von anderen auch nicht verlangen.«
Sie legte den Arm um seinen Hals. Ein Friedensangebot. »Du bist schon genügend Risiken eingegangen. Übertreib es nicht. Überlass das hier anderen. Komm nach Hause.«
Er wusste nicht, wie er sie überzeugen sollte. Vermutlich, weil sie Recht hatte. Nach einer Minute des Schweigens fuhr sie mit der Hand über seinen Arm und nahm seine Hand.
»Weißt du, ich kenne dieses Getriebensein, das du in dir hast. Mir geht es genauso«, sagte sie. »Ich bin zurückgekommen, obwohl ich mir geschworen hatte, es nicht zu tun. Der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass es für mich auch andere Dinge gibt. Meine Kinder. Und dich - das dachte ich zumindest. Für dich gibt es nur das hier.«
»Ich habe einen Sohn. Und ich habe dich.«
»Wie lange hast du Evan nicht gesehen? Und mich hast du nicht, John.« Sie stand auf und küsste ihn auf den Mund. Es war ein feuchter Kuss mit geöffneten Lippen, der ihn an ihren ersten Kuss vor knapp zwei Jahren erinnerte. Damals hatte sie ihm das Leben gerettet und war dabei fast gestorben.
Der Kuss war endlos, und er schloss die Augen und zog sie an sich. Aber sie legte die Hand an sein Gesicht und stieß ihn weg. Ohne ein weiteres Wort ging sie.
Drei Stunden später kam der Anruf. Ein FBI-Team hatte das Avis-Büro in Morristown, New Jersey, gefunden, bei dem »Jad« und »Kamel« ihr Auto gemietet hatten. Der Angestellte, der am 13. Januar Dienst gehabt hatte, war nicht im Geschäft, aber als sie ihn zu Hause aufgespürt hatten, erkannte er die Fotos sofort. Jad hatte für einen Monat einen dunkelblauen Pontiac G6 mit 18.155 Kilometern auf dem Tacho gemietet. Dafür hatte er einen internationalen Führerschein, einen türkischen Pass und eine MasterCard benutzt, alles auf den Namen Dawood Askari. Wie er sich diese nützlichen Dokumente besorgt hatte, würden sie später herausfinden.
Für den Augenblick hatten sie den Namen, den er in den Vereinigten Staaten benutzte. Und noch etwas viel Wichtigeres. Die Avis-Flotte war mit einer LoJack-Diebstahlsicherung ausgestattet. Das System konnte aus der Ferne aktiviert werden und strahlte dann ein Funksignal ab, mit dem gestohlene Fahrzeuge geortet werden konnten. Demzufolge stand der G6 auf einer Farm in der Nähe von Addison, New York - knapp fünfhundert Kilometer von Washington entfernt und nicht ganz so weit von Manhattan. Die Farm gehörte einem Chirurg namens Baschir Ismail, der in einem Krankenhaus in Corning arbeitete.
Mittlerweile waren zwei Kompanien Ranger aus Fort Drum, einem großen Army-Stützpunkt zweihundertvierzig Kilometer nördlich von Addison, entsandt worden. FBI-Agenten aus Buffalo und Albany waren unterwegs. Die Polizei des Bundesstaates New York hatte Kennzeichen und Beschreibung des G6 erhalten und war gebeten worden, Beobachtungsposten - keine Straßensperren - an den Highways und Staatsstraßen rund um Corning einzurichten.
Und von der Andrews Air Force Base war ein halbes Dutzend F-16-Kampfflugzeuge aufgestiegen.
Das Haus selbst sollte von einem Einsatztrupp der Anti-Terroreinheit Delta Force gestürmt werden,
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