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John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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den er in Kairo im Zoo gesehen hatte, ein großes träges Tier. Einmal schlenderte der Tiger zum Käfiggitter, stellte sich auf die Hinterpranken und lehnte sich gegen die Gitterstäbe. Er maß von den Pranken bis zur schwarzen Nasenspitze drei Meter und überragte Baschir bei weitem. Gähnend wandte er den Kopf und musterte Baschir langsam, fast
liebevoll von Kopf bis Fuß. Fleisch, sagten seine Augen. Und ich bin hungrig.
    Jussuf hatte auch solche Augen. Baschir hoffte, dass er sie nie wieder sehen würde.
     
    Im Stall schaltete er seine Stabtaschenlampe ein und folgte dem schmalen Lichtkegel bis zu dem Geschoss, an dem das Uranhohlteil befestigt war. Es lag noch da, wo er es liegen lassen hatte, neben der Bombe auf einer Werkbank aus Stahl. Es würde keine Minute dauern, sich das Teil zu schnappen und mit dem Suburban die Flucht zu ergreifen. Er tastete nach den Autoschlüsseln, die sicher in seiner Tasche steckten. Gut.
    War er sicher? Absolut. Er ging durch den Stall, holte das Teil und kehrte zur Tür zurück.
    Er hatte sie schon halb erreicht, als die Lichter aufflammten.
    Jussuf trat mit der Pistole in der Hand ein.
    Baschir erstarrte. »Jussuf«, sagte er. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Dumm von uns, alles offen liegen zu lassen …«
    »Sei still.«
    »Du darfst das nicht falsch verstehen.«
    »Thalia hat gesagt, dass wir auf so etwas vorbereitet sein sollen. Sie hat Sayyid gewarnt.«
    Baschir schüttelte ungläubig den Kopf. »Thalia …« Meine Thalia? Meine Frau?
    Seine Frau hatte ihn verraten? Unmöglich. Aber offenbar nicht, denn Jussuf kam auf ihn zu und versperrte ihm den Weg zur Tür.
    Baschir rannte los.
    Nicht zur Tür, denn dort stand Jussuf. Er lief zu dem
mit einer blauen Plane abgedeckten Loch in der Stallwand, das die Testbombe gerissen hatte. Das Loch war schmal und hatte scharfe Kanten, und Baschir wusste nicht genau, ob er durchpasste, aber es war seine einzige Chance. Wenn Nasiji hätte reden wollen, wäre er selbst gekommen. Stattdessen hatte er Jussuf mit der Waffe in der Hand und einem einzigen Auftrag geschickt.
    Jussuf schoss nicht sofort, als Baschir loslief. Wahrscheinlich hatte er Angst, die Bombe zu treffen. Baschir ließ das Uran fallen und zerrte an der Plane, riss sie von den Nägeln, mit denen sie an der Wand befestigt war. Er zwängte sich durch das Loch, spürte, wie sich Holzsplitter von der Wand in seine Hände bohrten.
    Jussufs Pistole bellte, und er spürte einen brennenden Schmerz in der rechten Schulter. Durch die Wucht des Schusses wurde er durch das Loch in den Schnee hinter dem Stall geschleudert. Er landete hart, und als er sich mit der rechten Hand abstützen wollte, schoss ein stechender Schmerz durch seinen Arm in die Schulter und raubte ihm den Atem, so dass er nicht einmal schreien konnte.
    Dann hörte er den zweiten Schuss. Er ging fehl und ließ den Schnee vor ihm aufspritzen, aber er verlieh ihm die nötigen Kräfte, um sich aufzurappeln und in den Wald zu rennen. Ein paar hundert Meter südlich vom Haus markierte jenseits des Hügels ein schmaler Bach die Grenze zwischen dem Anwesen der Repards und dem staatlichen Park dahinter. Dieser Bach führte zur Staatsstraße zwischen Addison und Corning. Wenn er es bis zur Straße schaffte …
    Er polterte durch den Wald, wobei er mit jedem Schritt Zweige zertrampelte und den Schnee aufspritzen ließ. Er
wusste, dass er Spuren hinterließ, aber das war unvermeidlich. Seine Schulter schmerzte noch immer, doch statt eines schmerzhaften Stromstoßes spürte er jetzt einen heißen, brennenden Klumpen, als hätte ihm jemand ein Kohlebrikett an den Rücken geheftet.
    Hinter ihm hörte er in nicht allzu großer Entfernung Jussuf durch die Bäume brechen. Seine einzige Hoffnung war, dass Jussuf genauso wenig mit dem Gelände vertraut war wie er. Alle dreißig Sekunden erfasste ihn der Lichtkegel von Jussufs Taschenlampe, aber Baschir duckte sich jedes Mal zur Seite weg. Er zwang sich, nicht zurückzusehen. Ob Jussuf zehn oder einhundert Meter entfernt war, spielte keine Rolle. Was zählte, war der Bach. Und dann die Straße.
    Doch als er die Hügelkuppe erreichte und sich die Böschung hinunter zum Bach vorarbeitete, spürte er, wie seine Kräfte nachließen. Der Schnee lag hier höher. Baschirs Turnschuhe und Jeans waren durchnässt, und seine Füße fühlten sich an wie Holzklumpen. Obwohl er am liebsten gerannt wäre, musste er sich vorsichtig bewegen. Er durfte keinen Sturz riskieren, sonst erwischte Jussuf ihn

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