John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
lese dir weiter vor.«
»Wie du willst, John. Reden wir nicht mehr über die Sache.« Exley schloss die Augen. »Aber versprich mir eines. Sag mir nicht, wann es losgeht. Je weniger ich weiß, desto besser.«
Er drückte ihre Hand.
»Erzähl mir nichts«, sagte sie. »Das meine ich ernst.«
Am nächsten Morgen bekam er sein Visum und reservierte für denselben Nachmittag einen Platz in der ersten Klasse auf dem Aeroflot-Flug 318, direkt vom Washingtoner Flughafen Dulles nach Moskau. Den Rückflug in zwei Wochen buchte er gleich mit, wobei er hoffte, dass er nicht so lange brauchen würde. Er packte zu Hause, dann fuhr er nach Langley, um sich mit Shafer zu treffen. Seit ihrem Streit hatte er nur im Vorübergehen mit ihm gesprochen,
in erster Linie damit Shafer ihn über den Stand der offiziellen Untersuchung des Anschlags informieren konnte. Das FBI versuchte, den Weg der Attentäter von Atlanta nach Washington zurückzuverfolgen, um herauszufinden, ob sie Unterstützung von Kräften innerhalb der Vereinigten Staaten gehabt hatten. Unterdessen bemühten sich WSI und CIA herauszufinden, wie die Killer nach Polen eingereist waren und wo sie in Warschau gewohnt hatten, während sie auf ihre gefälschten polnischen Pässe warteten. Die Taskforce versuchte, schlüssige Beweise dafür zu finden, dass es sich bei den Männern um Russen gehandelt hatte, damit das Weiße Haus den Kreml zur Zusammenarbeit auffordern konnte, ohne dass bekannt wurde, wie die NSA an die Telefonnummern von Helosrus gekommen waren.
Leider ging es bisher nur schleppend voran. Das FBI hatte keine Hinweise auf Mitverschwörer in den USA gefunden, und den Polen war es nicht gelungen, die Bewegungen der Männer in Warschau zurückzuverfolgen. Sich direkt mit den anhand des Mobiltelefons gewonnenen Informationen an die Russen zu wenden, wäre um Größenordnungen einfacher gewesen. Doch Russland konnte den USA das Leben in vielerlei Hinsicht erschweren, von der geheimen Unterstützung des iranischen Atomprogramms bis zur Drosselung der Ölförderung und dem damit verbundenen Anstieg der ohnehin hohen Rohölpreise. Und so ließ das Weiße Haus Duto wissen, dass es sich nur ungern mit dem Kreml anlegen würde, solange FBI und CIA keine handfesten Beweise für eine russische Beteiligung an dem Anschlag vorlegen konnten. Die Räder der Bürokratie drohten zum Stillstand zu kommen, ein Phänomen, das Wells nur allzu vertraut
war. In Situationen, die so komplex waren wie die aktuelle, barg jede Handlung Risiken. Nichts zu tun war am sichersten.
»Ich bin auf dem Weg zum Flughafen«, sagte Wells zu Shafer.
»Du wirst sie verlieren, John«, sagte Shafer. »Sie entgleitet dir zusehends.«
»Können wir bitte das Thema wechseln?«
»Warum bist du dann hier?«
»Weil ich in Moskau möglicherweise deine Hilfe brauche.«
»Warum soll ich dir helfen? Ich bin dagegen, dass du hinfliegst.«
»Weil du nicht willst, dass ich umkomme.« »Kann schon sein. Setz dich wenigstens kurz hin und erklär mir, was du vorhast.«
Wells erzählte es ihm. Als er fertig war, schüttelte Shafer so heftig den Kopf, dass die Schuppen rieselten. »Du hast keine Chance.«
»Du kennst doch bestimmt jemanden. Du kennst immer irgendwen.«
»Ich denke darüber nach«, erwiderte Shafer.
»Richte ihr aus, dass ich weg bin«, sagte Wells. »Sie wollte nicht, dass ich es ihr erzähle.«
»John …«
Aber Wells war schon gegangen.
Die Straßen nach Dulles waren frei. Und der Flug nach Moskau war pünktlich.
Teil II
9
Zürich
Der Saphir im V-Ausschnitt von Nadjas schwarzem Seidenkleid funkelte so blau wie ihre Augen.
»Pierre«, sagte sie. »Sie ist perfekt.«
»Perfekt«, schnurrte die Tiffany-Verkäuferin.
»Perfekt.« Was sonst hätte Kowalski sagen können? Perfekt war die perfekte Beschreibung für die Halskette, deren perfekter Anhänger zwischen Nadjas perfekten Brüsten ruhte. Hätte er die Banker gefragt, die durch die Bahnhofstraße zu ihrem Hundert-Franken-Mittagsmahl strebten, hätten ihm neun von zehn zugestimmt: Nadja und ihr Saphir waren perfekt. Der zehnte wäre blind gewesen.
Kowalski führte die Verkäuferin - Frederica, eine gepflegte Dame mittleren Alters, die das braune Haar zu einem eleganten Bob geschnitten trug und viel besser zu ihm passte, als Nadja es je tun würde - zur Verkaufstheke im Hinterzimmer, wo Nadja sie nicht sehen konnte. Im Gegensatz zu billigeren Artikeln hatte die Halskette kein Preisschild.
»Sechshunderttausend«,
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