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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesu’s Sohn
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generation», läßt sich von einem Fernsehteam interviewen, gleich links neben den Geflügelkäfigen. Seine Augäpfel sehen aus, als hätte er sie aus einem Scherzartikelladen. Mir tut er bloß leid, dieser Außerirdische, und so mache ich mir nicht klar, daß ich im Leben schon genauso viele Drogen genommen habe wie er.
     
    Und dann verirrten wir uns. Kurvten stundenlang herum, buchstäblich, ohne den Weg zurück zur Stadt zu finden.
    Georgie begann zu nörgeln. «Das war der mieseste Rummel, auf dem ich je gewesen bin, da konnte man ja gar nichts Tolles machen.»
    «Doch, konnte man», sagte ich.
    «Ja? Und wo bitte?»
    Vor uns schoß ein Hase über die Straße, und wir erwischten ihn.
    «Also, es gab ein Karussell, ein Riesenrad und außerdem ein Ding, das ‹der Hammer) hieß», sagte ich. «Die Leute, die da rauskamen, standen alle vornübergebeugt da und kotzten. Bist du eigentlich total blind?»
    «Was war das da eben?»
    «Ein Hase.»
    «Irgendwas hat doch grad gerumst.»
    «Du hast ihn erwischt Der Hase hat gerumst»
    Georgie trat mit Wucht auf die Bremse. «Hasenbraten!»
    Er legte den Rückwärtsgang ein, setzte in Zickzacklinien zurück zu dem Hasen. «Wo ist mein Jagdmesser?» Beinahe hätte er das arme Tier ein zweites Mal überfahren.
    «Mensch», sagte er, «wir Übernachten im Freien. Zum Frühstück gibt’s Hasenkeule.» Er fuchtelte gefährlich mit dem Jagdmesser von Terrence Weber herum.
    Eine Minute später stand er am Feldrain, schnitt das dürre kleine Ding auf und warf die Innereien weg. «Ich hätte Arzt werden sollen», schrie er.
    Ein großer Dodge, das erste Auto seit geraumer Zeit, verlangsamte seine Fahrt, und die Familie darin glotzte blöde, als sie an uns vorbeirollte. «Was ist das, eine Schlange?» sagte der Vater.
    «Nein, das ist keine Schlange», sagte Georgie. «Das ist ein Hase mit Babys im Bäuchlein!»
    «Babys!» sagte die Mutter, und der Vater beschleunigte rasch wieder, trotz der Protestrufe mehrerer kleiner Kinder auf der Rückbank.
    Georgie kam auf meine Wagenseite; vor sich ausgespannt hielt er die Vorderseite seines Hemds, als trüge er Äpfel darin oder so, tatsächlich aber waren es schleimige kleine Häslein. «Ich eß die nicht», sagte ich. «Kommt nicht in Frage.»
    «Nimm sie, nimm sie», sagte er. «Ich muß steuern, nun nimm sie schon.» Er ließ sie in meinen Schoß plumpsen und stieg auf den Fahrersitz. Dann fuhr er los, schneller und schneller, und sein Gesicht strahlte. «Die Mutter haben wir umgebracht, aber die Kinder gerettet», sagte er.
    «Allmählich wird’s spät», sagte ich. «Laß uns zurück in die Stadt fahren.»
    «Klar doch.»
    Neunzig, hundertzehn, hundertdreißig, fast hundertvierzig.
    «Die Häslein halten wir besser mal hübsch warm.» Eins nach dem anderen ließ ich die kleinen Dinger zwischen meinen Hemdknöpfen hindurchgleiten und schmiegte sie an meinen Bauch. «Die bewegen sich aber kaum noch», sagte ich zu Georgie.
    «Wir besorgen Milch und Zucker und so und ziehen sie groß. Die werden stark wie Gorillas!»
    Die Straße, auf der wir herumirrten, schnitt pfeilgerade durch die Mitte der Welt Noch war der Tag nicht vorüber, aber die Sonne war kraftlos geworden, bloße Dekoration, ein poröser Funkt. Das helle Orange unserer Motorhaube hatte sich in diesem Licht in tiefes Blau verwandelt.
    Georgie zog den Wagen an den Seitenstreifen, sachte, sachte, als war er eingeschlafen oder hätte die Hoffnung aufgegeben, daß wir den Weg noch finden würden.
    «Was ist?»
    «Wir können nicht weiter. Ich hab keine Scheinwerfer», sagte er.
    Wir hielten unter einem sonderbaren Himmel. Darauf lag, in mattem Abglanz, die Mondsichel.
    Gleich neben uns war ein kleiner Wald. Der Tag war trocken und heiß gewesen, Kiefern und sonst welche Bäume kochten noch immer ruhig vor sich hin, aber als wir nun dasaßen und Zigaretten rauchten, wurde es auf einmal sehr kalt.
    «Der Sommer ist vorbei», sagte ich.
    Es war das Jahr, in dem arktische Wolken über den Mittleren Westen zogen und wir mitten im September zwei Wochen lang Winter hatten.
    «Merkst du’s?» sagte Georgie. «Wird Schnee geben.»
    Er hatte recht: Bleiblau braute sich ein Sturm zusammen. Wir stiegen aus und stiefelten drauflos wie die Idioten. Die wunderbare Kälte! Die plötzliche Frische und wie der Geruch der immergrünen Bäume uns in die Nase stach!
    Als die Nacht hereinbrach, wirbelten Schneeböen um unsere Köpfe. Ich konnte den Wagen nicht finden. Wir verirrten uns immer mehr.

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