JoJo Und Ich
dass so viele von uns sich nicht für die Welt und füreinander verantwortlich fühlen. Aber diejenigen, die mitfühlen, leben ihr Mitgefühl einfach und erklären es nicht groß.
Man sollte eigentlich meinen, dass Frendys Verletzungen die Verantwortlichen endlich aufgerüttelt hätten. Aber nein, der Unfall wurde einfach totgeschwiegen. Wo blieb da das Mitgefühl? Aufgrund meiner zahlreichen Petitionen wusste die Regierung natürlich um die Risiken des Wasserskibetriebs, agieren aber konnte sie nur innerhalb des für den Nationalpark geltenden rechtlichen Rahmens. Und dafür war sinnigerweise eben das Ressort zuständig, das die Wasserskizone seinerzeit ausgewiesen hatte.
Immerhin, die Regierung ließ zögernd erkennen, dass sie sich der Gefahren für Mensch und Tier allmählich bewusst wurde. Jetzt mussten nur noch die Gesetzesmühlen mahlen, und das würde seine Zeit brauchen, aber wenigstens war Bewegung in die Sache gekommen.
Ich kann sehr weite Strecken schwimmen, wirklich, aber manchmal muss auch ich innehalten. Dann trete ich Wasser, um nicht unterzugehen. Ich bin erschöpft, warte, dass sich Körper und Lunge mit neuer Energie füllen, während unter mir im tiefen Blau vielleicht die Haie lauern. Ich fühle mich dann angreifbar, möchte, dass meine Arme schnell wieder zu Kräften kommen, damit ich weiterschwimmen kann. Diese Zeit des Wartens kann der Moment sein, in dem sich das Schicksal wendet. Dann heißt es: weiterschwimmen oder untergehen.
Im Ausland gab es Unterstützer unserer Kampagne, die mit meiner abwartenden Wassertret-Strategie nicht einverstanden waren. Sie fanden das bürokratische Verfahren, mit dem JoJo vor Wasserskiunfällen geschützt werden sollte, viel zu langatmig. Ein achselzuckendes Nicken meinerseits genügte, um sie in Aktion treten zu lassen. Da ein Mitglied unserer Regie rung ständig die Antworten auf meine Schreiben verschleppte, ging ein Teil jener Gruppe von Unterstützern dazu über, die Regierung systematisch mit Briefen einzudecken.
Daraufhin ließ sich der zuständige Ressortleiter in der Regierung der Turks- und Caicosinseln tatsächlich zu einer Antwort bewegen. Darin teilte er allerdings nicht viel mehr mit, als dass er die Briefflut »völlig überzogen und geschmacklos« fand. Dies wiederum feuerte die Kampagne dieser speziellen Gruppe eher noch an. Ich lehnte mich bequem zurück und legte die Hände in den Schoß. Offenbar hatte ich Anstöße genug gegeben. Jetzt konnte ich einfach zuschauen.
Sie schrieben einen Antwortbrief, in dem es hieß: »Für Tausende von Menschen auf der ganzen Welt besteht die eigentliche Geschmacklosigkeit in der Gleichgültigkeit, mit der die Regierung der Turks und Caicos über das Wohlergehen ihres nationalen Kulturguts hinweggeht.«
Von dieser Gruppe ging dann auch die Initiative aus, Reiseagenturen, Wildlife-Organisationen und die Öffentlichkeit anzusprechen, um nicht nur den Wasserskisport auf den Turks- und Caicosinseln zu boykottieren, sondern den Tourismus überhaupt.
Das nun war ein Frontalangriff auf die Regierung, der ich als Nationalparkwärter letztlich unterstellt war und die sich ja auch bereits um eine Lösung bemühte. Ich hielt den vorpreschenden Aktivisten entgegen, dass bereits an einer Umsiedlung des Wasserskibetriebs gearbeitet wurde, wenngleich auf dem etwas langwierigen Weg der Gesetzgebung. Aber hier wurde die gesamte Tourismusbranche angegriffen, die Hotels und das örtliche Geschäftsleben, ohne zu unterscheiden, wer die Unterbindung des Wasserskisports in Grace Bay befürwortete und wer nicht.
Ich bemühte mich um Vermittlung. Einerseits würde es ohne einen gewissen wirtschaftlichen Druck vielleicht nie zu einem effektiven Schutz von JoJo kommen. Andererseits bestand die Gefahr, dass sogar das bereits Erreichte wieder zunichte gemacht würde, wenn dieser Druck zu sehr erhöht wurde. Dass aber die ganze Arbeit, die ich bereits geleistet hatte, umsonst war, durfte ich nicht zulassen.
Deshalb musste ich die Heißsporne der Kampagne dazu bewegen, einige ihrer Aktionen zurückzufahren, um den Fortschritt nicht insgesamt zu gefährden. Es kam darauf an, ganz gezielt den Wasserskibetrieb unter Druck zu setzen.
Dabei gehörten diese Mitstreiter noch zu meinen geringsten Sorgen. Im Hintergrund waren finstere Mächte ganz anderer Art am Werk. Das Vorgehen des Wasserskiunternehmers erinnerte mich an die Verhaltensweisen eines höchst verschlagenen Raubtiers. Ich hatte immer das Gefühl, mich gerade so über
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