JoJo Und Ich
ruhigere Inseln zu besuchen – Pine Cay, Parrot Cay oder North Caicos. Vor dem Wasserskizeitalter gab es in der Gegend nur kleine Fischerboote, die keine Gefahr für die Meeressäuger darstellten. Die große Delfinschule, die hier einmal existierte, verschwand Anfang der Achtzigerjahre, als das erste große Hotel ständig laufende Sport- und Bootsaktivitäten anbot.
In all den Jahren habe ich über JoJos Verletzungen Buch ge führt. Sehr viele hatten mit Bootskollisionen zu tun oder waren durch Wasserski verursacht worden. In jedem einzelnen Fall fotografierte ich die Verletzungen, behandelte sie und verfasste dann einen Bericht, den ich an das für Natur- und Umweltschutz zuständige Ministerium schickte. Danach unterrichtete ich die Zeitung, damit die Öffentlichkeit davon erfuhr, und besprach mit den Wassersportbetrieben, wie man JoJo besser im Auge behalten und die Leute auf seine Bedürfnisse aufmerksam machen konnte. Dazu gab es ein Merkblatt, in dem alle Bootsunternehmer und Touristen gebeten wurden, besonders auf JoJos Verletzungen und Anzeichen einer möglichen Infektion zu achten. Die Zeit der Rekonvaleszenz war für JoJo immer besonders gefährlich, denn erstens war er dann mehr oder weniger stark behindert und konnte nicht so gut ausweichen wie sonst und zweitens konnte er sich nicht so gut gegen Räuber wehren.
Nach vielen Berichten dieser Art, die unbeachtet blieben oder nur ein schwächliches Echo fanden, verlor ich allmählich die Geduld mit der Verwaltung der Turks- und Caicosinseln. Wenn ich dann von Journalisten interviewt wurde, konnte ich meinen Sarkasmus nur schwer im Zaum halten.
Eine Frage, die mir häufig gestellt wurde, lautete: »Mr. Bernal, warum wird nicht mehr unternommen, um diesen einzigartigen wild lebenden Delfin besser zu schützen?«
Ich antwortete: »Die Regierung ist über alle Unfälle und medizinisch notwendigen Interventionen informiert worden. Offenbar erkennt man aber noch nicht, wie ernst diese Vorfälle wirklich sind und wie stark sie JoJo gefährden.« Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zu sagen: Die Behörden wissen durchaus Bescheid. Sie wollen nur einfach nichts tun.
Es erschienen entsprechende Artikel, an der Untätigkeit der Regierung aber änderte sich nichts.
Auch wenn es mir mitunter aussichtslos erschien, wurde ich nicht müde, die Zuständigen darauf aufmerksam zu machen, dass die Wasserskizone in einem Gebiet, das Delfinen zur Futtersuche, zur Kommunikation und als Ruhebereich diente, ein untragbares Gefahrenpotenzial darstellte. Es gab in dieser Gegend außer JoJo noch andere Delfine, die natürlich ebenfalls bedroht waren. Außerdem sagte ich mir, dass alles, was die Walartigen bedroht, sicher auch für Menschen ein Risiko darstellt.
»Vielleicht kann man ja irgendwo anders eine Wasserskizone ausweisen«, schlug ich vor, »dann würde Providenciales trotzdem für Wasserskifahrer attraktiv bleiben.«
Die stereotype Antwort, falls überhaupt eine kam, lautete: nein.
Als bestallter Wärter konnte ich schließlich doch ein wenig mehr erreichen. Manche Regierungsbeamte fingen an, vom Gewässerschutz um die Turks und Caicos zumindest zu reden. Doch das genügte nicht.
Nachts schrieb ich Briefe oder beantwortete die in stetig steigender Zahl eingehenden E-Mails – und fragte mich dabei immer wieder, ob das JoJo-Projekt überhaupt Fortschritte machte. Kaum war das Schiffchen ein paar Meter weitergekommen, wurde es auch schon wieder von einem Brecher zu rückgeworfen. Ich sprach sogar beim Wasserskibetrieb vor und ersuchte darum, die Boote zumindest mit einem Schraubenschutz zu versehen. Man scheute die Kosten. Da kaufte ich selbst die erforderliche Anzahl von Schraubenschutzbügeln und schenkte sie dem Betreiber.
Sie brachten sie nicht an. Sie lachten nur.
Mir war natürlich auch klar, dass ein Schraubenschutz nur wirksam war, wenn das Boot langsam fuhr. Bei hoher Geschwindigkeit würde es in jedem Fall zu schweren Verletzungen kommen, mit oder ohne Schraubenschutz. Es ging mir dabei nur darum, das zu diesem Zeitpunkt mögliche Mindestmaß an Vorsorge zu treffen, und wenn ich JoJo damit auch nur einen einzigen Unfall ersparen konnte, war es mir den Aufwand wert.
Zum Stein des öffentlichen Anstoßes wurde die Sache erst, als ein Artikel des Journalisten Michael Friedel weltweit in dreizehn Umweltmagazinen erschien. Doch einerlei, wie viele Artikel in Geo und vielen anderen Magazinen erschienen, meine Bitte, wenigstens die Schraubenschutzbügel
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