JoJo Und Ich
gelernt. Delfinzeit schert sich nicht um das Treiben der Menschen und schon gar nicht um ihre Terminkalender. JoJo mag meinen Zeitplan gekannt haben, wäre aber nie auf die Idee gekommen, sich an ihn zu halten. Das brachte ein paar, nun, sagen wir, Schwierigkeiten mit sich. Immer öfter war es so, dass er ungeduldig wurde, wenn wir im Anschluss an den Tauchunterricht nicht sofort zu unserer gemeinsamen Schwimmrunde aufbrachen. Offenbar begriff er nicht, dass er umso länger warten musste, je früher er sich einstellte.
Einmal fühlte er sich beim Tauchunterricht wohl nicht ausreichend beachtet, jedenfalls begann er an meinen Flossen zu knabbern, während ich mit den Tauchschülern auf dem Meeresboden kniete, um ihnen irgendetwas vorzuführen. Für JoJo war das alles sicher nur ein Spiel, aber er beschränkte sich nicht aufs Knabbern, sondern begann, an mir zu zupfen. Er nahm eine meiner Schwimmflossen zwischen die Zähne und zog daran – wie sollte ich da unterrichten? Zusätzlich kam er auf die Idee, eines meiner Knie mit der Brustflosse unter mir wegzuschieben, sodass ich nach vorn fiel, bis er dann meine Flosse endlich wieder losließ. Für die Tauchschüler war das bestimmt recht unterhaltsam, auf diese Weise aber brauchte ich viel mehr Zeit für den Unterricht und konnte nicht so viele Schüler ausbilden wie die anderen Tauchlehrer.
»He, Dean, könntest du deinen Delfin nicht vielleicht weg schicken, bis der Unterricht vorbei ist?«, wurde ich von Daniel, François und den übrigen Kollegen immer wieder gefragt, wenn JoJo so lästig wurde, dass kein vernünftiger Unterricht möglich war.
»Das ist nicht mein Delfin«, gab ich dann zurück. »JoJo ist sein eigener Herr.« Für mich hatten solche Anfragen etwas von den Bemühungen mancher Eltern, die Zuständigkeit für ein Problemkind auf den jeweils anderen zu schieben.
Vielleicht, dachte ich, würden sie ja irgendwann einsehen, dass ich mit JoJo nur deshalb so gut zurechtkam, weil ich seine Eigenständigkeit respektierte. Ich hätte ihn mit dem Drohfinger, »Nein, nein!«, wegschicken können, unterließ es aber lieber, denn was hätte ich noch tun können, sollte er nicht darauf eingehen? Das Wasser konnte ich ja schlecht verlassen, wenn ich mit Anfängern unterwegs war, die ständige Beaufsichtigung brauchten.
In seinem Beharren auf Zuwendung ging JoJo so weit, dass er sich meinen Atemschlauch griff und daran zog. Natürlich stellte sich heraus, dass ich umso eher folgte, je stärker er zog. Ob er die Notwendigkeit meiner Atemausrüstung erkannte oder sie einfach als Spielzeug sah, weiß ich allerdings nicht. Wenn er zu sehr zerrte und ich mich dagegen stemmte, schnappte mir schließlich das Mundstück aus dem Mund. Dann blies ich feine Blasen, wie es für solche Fälle unter Wasser vorgeschrieben ist, und JoJo schien daraufhin zu spüren, dass er den Schlauch loslassen musste. Ich setzte das Mundstück wieder ein, atmete und setzte den Unterricht fort.
Meine Schüler hatten nichts gegen diese Einlagen. Grinsend genossen sie die Darbietungen. JoJo machte mich sogar zum beliebtesten Lehrer; viele Anfänger wünschten sich ausdrücklich, von mir unterrichtet zu werden. Das änderte sich allerdings, als JoJo herausfand, dass er mit seinem Flossenzupfen auch bei den Schülern einiges bewegen konnte. Sie fielen regelmäßig nach vorn, wenn er ihnen die Füße wegzog. Zum Glück ging er nicht so weit, dass er an ihren Atemschläuchen zerrte, bis sie das Mundstück verloren, trotzdem störte sein Unfug den Unterricht ganz erheblich.
»Der ganze Lebenszweck des Delfins besteht darin, das geordnete Tun des Menschen durcheinanderzubringen«, schreibt der weltweit renommierte Delfinkenner Horace Dobbs.
Das kann man wohl sagen.
»Was für ein wilder Typ du doch bist, JoJo«, sagte ich, wenn er wieder einmal einen meiner Kurse aufgemischt hatte. »Und dabei auch noch so kreativ! Man weiß nie, was dir als Nächstes einfällt. Du hast deinen eigenen Kopf, du machst einfach alles, was dir gerade einfällt, egal, was daraus wird, stimmt’s?«
So begrüßenswert ich JoJos Besuche im Anschluss an den Unterricht auch fand, mir war durchaus bewusst, dass ich bei meinen Erziehungsversuchen aufpassen musste, wenn ich seine unerwünschten Verhaltensweisen nicht sogar noch verstärken wollte. Aber manchmal wusste ich wirklich nicht, was ich dagegen unternehmen sollte. Ich konnte ihm Handzeichen geben, aber wenn es gerade einer jener Tage war, an denen ihn der Umgang mit
Weitere Kostenlose Bücher