JoJo Und Ich
Zeit wurde, an Land zu gehen, verlegte uns JoJo den Weg, wie wir es alle gut kannten. Heute aber blieb das Ganze spielerisch und hatte nichts von dem trotzigen Beharren, das wir auch schon an ihm erlebt hatten. Er bat einfach mit unhörbar unter Wasser klatschenden Brustflossen um »Zugabe«.
»Es ist uns eine Ehre, dass du uns so nah bei dir haben möch test«, sagte ich. »Aber die Sache ist die, dass wir uns auch mal wieder aufwärmen müssen.« Ich täuschte einen linken Bogen an, damit Leslie und Dave am anderen Ende an ihm vorbeikommen konnten, und danach fand ich für mich selbst einen Fluchtweg.
Dann standen wir im warmen Sand, aber JoJo blieb vor uns im flachen Wasser und ließ Grunzlaute hören, die etwas anders klangen als das mir vertraute Glucksen. Dann kam noch ein klagendes Pfeifen dazu, das uns sehr überraschte.
»Was das wohl bedeutet«, sagte ich zu Dave. Der hob die Schultern. Mir kam es so vor, als wollte JoJo uns mitteilen, wie einsam er in der Zwischenzeit gewesen war.
»JoJo erzählt von Freudentränen, die er vergoss, als er uns wiedersah«, rief Leslie und hatte dabei selbst Tränen in den Augen.
Das konnte man nicht einfach übergehen.
So müde und unterkühlt Leslie und ich waren, wir gingen wieder ins Wasser und spielten eine weitere Stunde mit JoJo. Kreisen. Platschen. Saltos von der Boje, dann wieder durchs Wasser schnellen. Aber schließlich waren wir so erschöpft, dass nur noch Ausstieg und Dusche infrage kamen. JoJos stimmliche Mitteilungen waren wieder dieselben, aber diesmal ließ er uns gehen. Wir winkten ihm, und er schwamm langsam in die Weite hinaus.
Von da an stellte sich JoJo wieder jeden Tag zum Spielen ein. David, Leslie und ich wurden seine »Schule«, und das machte uns die Verantwortung, die wir trugen, deutlicher bewusst als je zuvor.
Wir waren sein Kreis, seine Familie. Was ich und meine menschlichen Freunde in Zukunft unternehmen würden, konn te über sein Schicksal bestimmen.
A rbeit
E ines Nachmittags hieß es, Dr. Horace Dobbs werde für ein paar Tage auf den Turks- und Caicosinseln zu Besuch sein. Horace Dobbs ist Gründer der in Großbritannien beheimateten Organisation International Dolphin Watch. Er ist Delfinexperte und interessiert sich besonders für die Beziehung der Meeressäuger zu den Menschen, auch unter historischen Gesichtspunkten. Bei seinem Besuch wollte er vor allem JoJo kennenlernen und sich über seine Beziehungen und besonderen Verhaltensweisen informieren. Dr. Dobbs war zunächst Chemiker gewesen, hatte dann auf dem Gebiet der Veterinärmedizin geforscht und widmet seine Zeit jetzt ganz dem Studium der Kommunikation zwischen Delfinen und Menschen.
Sein Delfinbeobachtungsprogramm brachte ihn auch in Kon takt mit einzeln lebenden Delfinen wie JoJo. Einzeln lebende Delfine sind sehr selten und extrem schwer aufzufinden, aber er kann von sich sagen, dass er alle bekannten Exemplare besucht hat. Ich habe ihn mit den Worten zitiert gefunden, dass es ein seltenes Glück sei, eines dieser Tiere kennenzulernen, und dass er sich besonders glücklich schätze, so viele von ihnen näher betrachten zu können. Auf diesem Weg sollte ich ihm, wie sich dann zeigte, bald folgen.
Ich notierte mir den Termin seines Besuchs im Kalender, und dabei realisierte ich plötzlich, was für eine Chance sich mir da bot. Hochrangige britische Kontakte – genau darauf war ich ja aus. Wenn es in England jemanden gab, der meine Bemühungen um JoJos Schutz unterstützen konnte, dann war es Dr. Horace Dobbs.
Als meine Crew und ich ein paar Tage später zum verabredeten Treffen mit ihm aufbrachen, legte ich mir in Gedanken die Worte zurecht, mit denen ich ihn um Mithilfe bitten würde. Aus meiner Sicht stellte sich das JoJo-Projekt immer mehr als eine Aufgabe dar, die die Kräfte eines einzelnen, auf der Anhöhe einer Insel lebenden jungen Mannes überstieg. Aber ich habe auch festgestellt, dass die Hoffnung immer siegt.
Wenn Dr. Dobbs hier war, um JoJos innige Verbundenheit mit den Menschen zu dokumentieren, fürchtete ich anfangs, könnte es ein Problem sein, dass JoJo aufgrund der geschilderten Antibiotika-Behandlung selbst mir gegenüber im Moment noch etwas vorsichtig und distanziert war. Deshalb wusste ich nicht, ob er bereit sein würde, eine neue Bekanntschaft zu schließen. Trotzdem würde ich versuchen, Dr. Dobbs für meine Sache zu gewinnen. Im Kampf um die Freiheit meines Freundes musste ich einfach jede Chance nutzen.
An Bord des Bootes, auf dem wir
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