JoJo Und Ich
denken war. Bis eines Abends das Telefon klingelte.
»Warum rufst du denn nicht an?«, fragte Emily. Ich hörte ein leichtes Beben in ihrer Stimme.
»Haben wir denn nicht gestern erst telefoniert?«
»Dean, das war vor zwei Wochen.«
»Tut mir leid. Es ist nur wegen JoJo«, wandte ich matt ein.
»Ich weiß. Wie immer.«
»Du liebst ihn doch auch.«
»Ja, das tue ich.« Sie schwieg einen Moment lang. Dann fügte sie hinzu: »Aber ich fühle mich einsam.«
»Was ist mit deinen Freundinnen?« Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
»Das ist kein Ersatz, das weißt du doch.«
Natürlich nicht. Aber was hätte ich sagen können? Sie hatte ja recht.
»Dean, bist du noch dran?«
»Ja, Liebes. Es tut mir leid.«
»Ruf einfach öfter an, okay? Du fehlst mir.«
Ich versprach es. Aber jetzt musste ich erst einmal das Projekt für meinen Freund zum Laufen bringen. Danach konnte ich einen Besuch bei Emily planen.
Bei meinem Bemühen, JoJo juristisch unter Schutz zu stellen, würde unser Naturschutzministerium die Schlüsselrolle spielen, das war mir klar. Das Ministerium musste die Schirmherrschaft übernehmen. Von da aus konnten wir dann weitere Umweltschutzprojekte in Angriff nehmen.
Von diesen Gedanken geleitet, stellte ich ein umfangreiches Dossier über Fälle auf der ganzen Welt zusammen, in denen es gelungen war, für besondere Arten einen rechtlichen Schutz zu erwirken. All das, stellte ich mir vor, sollte Vorbildfunktion für den Fall JoJo bekommen.
Ich erstellte neue Diashows und konzentrierte meine Bemü hungen wieder auf die Schulen. Wenn ich die Kinder über JoJos Leben auf dem Laufenden hielt, würden sie immer wissen, weshalb es sich lohnte, ihn zu schützen – und wie man respekt voll mit ihm umging. Mir die Unterstützung der Schüler zu sichern war leicht, schließlich hatten sie JoJo bereits als Schulmaskottchen. Und wie stolz sie waren, sagen zu können, dass Turks und Caicos eines von ganz wenigen Ländern war, die sich als Heimat eines einzeln lebenden wilden Delfins bezeichnen konnten, der die menschliche Gesellschaft suchte.
Außerdem verfasste ich für die Lokalzeitung ein paar Artikel über JoJo, und daraus wurde bald eine Kolumne. Alles, was ich darin schrieb, beruhte auf meinen persönlichen Aufzeichnungen über meinen Umgang mit JoJo und versuchte zu erklären, weshalb eine Begegnung gerade so verlaufen war, wie ich sie beschrieben hatte. Am Ende meiner Artikel forderte ich die Leser auf, sich für das JoJo-Projekt zu engagieren und zu erkennen, wie selten und kostbar dieser Delfin war.
Ich beabsichtigte, JoJo zu so hohem Ansehen zu verhelfen, dass niemand mehr auch nur daran dachte, ihn abzuschieben oder gefangen zu nehmen. Ich begreife bis heute nicht, wie irgendwer je auf solche Gedanken verfallen konnte. Dennoch bin ich geneigt, keine allzu üblen Motive dahinter zu vermuten, sondern den Betreffenden eher schlichte Unwissenheit zu unterstellen.
Jedenfalls musste ich bei dieser Kampagne sehr vorsichtig vorgehen. Der erwähnte Brief mit Überlegungen zu JoJos Gefangennahme war, wie bereits gesagt, vertraulich und hätte den Verfasser, einen Regierungsbeamten, kompromittieren können. Also arbeitete ich zunächst mehr oder weniger allein und im Verborgenen. Und war eigentlich ganz froh, Emily so weit ab vom Schuss zu wissen, denn hier nahm das öffentliche Interesse allmählich zu, auch in der Form von Behördenwillkür und verbalen Angriffen. Letztere bestärkten meinen Verdacht, dass es wohl um Geld gehen musste. Und wie sich später herausstellte, ging es tatsächlich um Geld. Um sehr viel Geld sogar.
Ich musste all die Leute umstimmen, die meinten, es sei besser, JoJo wegzuschaffen. Und ich musste den Leuten, die es ernsthaft vorhatten, klarmachen, dass ich ihre finsteren Pläne an die Öffentlichkeit bringen würde. Das alles waren Akutmaßnahmen, die dazu dienten, für den Moment das Schlimmste zu verhindern. Aber wie sollte ein langfristiger Plan aussehen, der JoJo auf Dauer vor allen erdenklichen Eventualitäten schützen konnte?
Ich musste alle Fragen durchspielen, die im Verlauf des Projekts auftauchen könnten. Ungefähr so, wie man beim Schach jeden einzelnen Zug auch auf seine möglichen späteren Konsequenzen hin abklopft.
Zum Beispiel: Wenn ich alle Firmen auf der Insel anschrieb, die an den Plänen für JoJos Gefangennahme beteiligt sein konnten, würde das meine Chancen möglicherweise vergrößern. Aber nur, wenn sie noch nicht wussten, dass ich plante, an die
Weitere Kostenlose Bücher