JoJo Und Ich
gesehen worden war. David, Leslie und ich machten uns allmählich Sorgen, denn JoJo ließ sich unsere gemeinsamen Schwimmrunden sonst höchstens einmal für einen Tag entgehen. Leslie fürchtete immer noch, dass er krank sein könnte, aber David und ich blieben optimistisch und trösteten sie. JoJo würde sicher bald wieder auftauchen. So machte ich meine Schwimmtouren jetzt allein, hoffte aber immer, dass er neben mir auftauchen würde, um zu spielen.
Doch die Tage vergingen, und er blieb aus.
Am zehnten Tag verließ auch mich der Optimismus. Wir überlegten, ob wir eine regelrechte Vermisstensuche starten sollten.
»Ja, ich finde, das solltest du, Dean«, sagte Leslie von der Veranda aus. Sie lehnte den Kopf an den Türrahmen und nickte. »Ich glaube nämlich wirklich, dass er krank ist.«
Ich widersprach nicht mehr, sondern winkte sie herein, zog das reichlich gebraucht aussehende Telefonbuch heraus und blätterte nach den Nummern von Piloten auf der Insel, bis ich auf eine Frau stieß, von der ich wusste, dass sie ein Fliegerass war. Gerade wollte ich ihre Nummer wählen, als David anrief.
»JoJo ist eben gesehen worden, er schwimmt hinter einem Boot her in Richtung Grace Bay«, sagte er. »Genau da, wo wir sonst immer zusammen im Wasser sind. Ich mache mich sofort auf den Weg.«
Wir wechselten keine weiteren Worte. Ich raffte meine Sachen zusammen, lief aus dem Haus und warf alles in den Wagen. Leslie kam hinter mir her.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Er ist da. Komm, steig ein.« Ich ließ den Motor an. »Halt dich gut fest, das wird jetzt etwas rasanter.« Kaum hatte sie sich angeschnallt, ging es auch schon im Eiltempo den holprigen Weg nach Grace Bay hinunter.
Wir sahen David schon von Weitem am Strand stehen, die Flossen in der Hand und bereit, sofort zu unserem üblichen Treffpunkt hinauszuschwimmen. Wir nickten einander kurz zu, dann hatte ich nur noch den Horizont im Blick, an dem mein Freund jetzt jeden Moment auftauchen musste.
Ich sah ihn noch nicht, spürte aber schon seine Energie über die Wellen heranwehen. Kurz schloss ich die Augen und lauschte mit einem Ohr in Richtung Meer. War da nicht gerade sein Ausatmen zu hören? Oder trug mir der Wind einfach seinen Geist zu?
Ich wusste, er war da. Etwas wie Blütenduft lag plötzlich in der Luft, ganz so, als würde JoJo ihn mitbringen. David und Leslie schienen den Duft auch zu bemerken, sie sogen die Luft ein wie in einem botanischen Garten voller Orchideen und Passionsblumen.
Mit Taucherbrille und Schnorchel schwammen wir in die türkisblaue Bucht hinaus. Ein paar Hundert Meter weiter drau ßen suchten wir das Meer nach Bewegungen ab und warteten auf Delfinlaute. Doch es blieb still. Kein Delfin. Selbst die typischen Geräusche der Schnorchelatmung waren verstummt. Wir hielten den Atem an.
Ich wollte gerade das Wort an Leslie richten, als Unglaubliches geschah. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie in ungefähr fünfzig Metern Entfernung etwas aus dem Wasser schoss. Es war JoJo, der da in einer riesigen glitzernden Gischtfontäne in weitem Bogen durch die Luft flog und wieder eintauchte. In immer weiteren Luftsprüngen kam er mit Höchstgeschwindigkeit genau auf uns zu. JoJo hatte mir auch früher schon einiges geboten, aber dieses Spektakel hatte etwas so Gewaltiges, dass ich wie vom Donner gerührt war und sogar das Wassertreten vergaß.
Erst als ich in den Wellen versank, wurde mir klar, dass es kein Traum war. Wir machten uns auf die ganze Wucht seiner Begeisterung gefasst. Was mochte er noch in petto haben? Mit trillerndem Pfeifen und Schnalzen kam er in Wolken von glitzernden Wassertropfen wie ein Wirbelwind daher.
Wir alle kannten das umfangreiche Repertoire seiner Verhaltensweisen, aber einen Freudentaumel wie diesen hatte noch keiner von uns erlebt. Kein Zweifel, JoJo war überglücklich, dass er seine Schwimmfreunde wiedergefunden hatte, mit denen er fast jeden Tag spielte.
Die nächsten vier Stunden gehören zu den intensivsten Gemeinschaftserlebnissen, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Wir spielten in engem Verbund, und JoJo entging keine äußere oder innere Regung unserer Freude, er griff jeden auch noch so kleinen Impuls auf wie ein guter Tanzpartner, doch mit mehr Eleganz und intuitivem Feingefühl, als man es sich von einem menschlicher Tänzer oder einer noch so genialen Choreografie je versprechen dürfte.
Und im Spiegel dieses tropischen Miteinanders wurden auch wir zu Abbildern seines Delfinwesens.
Als es
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