JoJo Und Ich
Öffentlichkeit zu gehen. Wie sollte ich das Schreiben so formulieren, dass es überzeugend wirkte, aber niemanden verärgerte? Dass es nachdenklich machte, aber nicht zu Gegenschlägen animierte?
Alles Fragen, die genau zu bedenken waren.
Ich schrieb damals alle Einrichtungen in erreichbarer Nähe an (also in Florida und auf den Bahamas), die für JoJos geplante Domestizierung infrage kamen, und erklärte ihnen die Hintergründe dieser Machenschaften, nämlich dass man sich anstehenden Schadensersatzforderungen entziehen und möglichst noch einen stattlichen Gewinn erzielen wollte.
Neben allem, was ich so in Gang brachte, musste ich weiter an die Bewusstseinsbildung und an den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur denken. Das, dachte ich, sei vielleicht am besten zu erreichen, wenn ich mir in England Aufmerksamkeit und Unterstützung sicherte. Schließlich sind die Turks- und Caicosinseln lokal verwaltetes britisches Überseegebiet. Doch wer käme dafür als Ansprechpartner infrage? Prinz Charles und Prinz Philip fielen mir ein, aber die kannte ich bloß dem Namen nach. Persönliche Kontakte zu den britischen Royals zu knüpfen war eine hochkomplizierte Angelegenheit, und wer würde sich in Großbritannien schon um das Wohlergehen eines einzelnen Delfins im Westatlantik kümmern wollen?
Manchmal aber nimmt sich das Schicksal der Dinge an, wenn man es am wenigsten erwartet. Von meinen Eltern hatte ich gelernt, zuerst zu meditieren und zu beten und mich dann mit klarem und möglichst leerem Kopf darauf zu konzentrieren, dass sich das zur Lösung eines Problems Notwendige schon zeigen werde. Meine Gedanken waren dann eine Vorwegnahme dessen, was zu JoJos Wohlergehen geschehen musste. Ich setzte es nur in Bewegung.
* * *
So arbeitete ich also beinahe ununterbrochen an meinem Projekt, doch auf die Freude des gemeinsamen Schwimmens mit JoJo mochte ich trotzdem nicht verzichten. Er war die letzten Wochen nicht gesehen worden, aber ich war mir sicher, dass er sich nur herumtrieb und anderen Dingen nachging. David und Leslie hatten ihn hin und wieder gesehen, sowohl weit draußen als auch nahe am Strand. Leslie fürchtete jedoch, dass JoJo krank sein könnte, denn sie hatte ihn als langsam und lustlos empfunden.
Als ich damals angefangen hatte, mit JoJo zu schwimmen, waren mir auch manchmal Änderungen in seinem Verhalten aufgefallen, die ich für Anzeichen einer möglichen Krankheit hielt. Er bewegte sich dann träge, und wenn ich ihn rief, dauerte es lange, bis er auftauchte. Das kam aber so häufig vor, dass ich mir sagte, er sei wohl einfach schläfrig und brauche Ruhe.
Eine Woche verging, bis wir von Freunden erfuhren, dass JoJo erneut gesichtet worden war, und zwar in North Caicos – an die fünfunddreißig Kilometer weiter östlich, als er sich unseres Wissens je von Grace Bay entfernt hatte. Ob er sich aber auch jetzt noch dort in der Gegend aufhielt, wusste niemand.
Ich notierte das alles, denn ich wollte dokumentieren, wo sich JoJo aufhielt und wie groß sein »Revier« war. Er wurde erwachsen, vielleicht weiteten sich die Grenzen seines Lebensraums ja mit den Jahren aus. Ich fuhr also nach Middle Caicos und erkundigte mich überall, ob JoJo dort war, aber niemand konnte mit Sicherheit sagen, dass es sich tatsächlich um ihn handelte.
Meine Bestätigung bekam ich schließlich doch, nämlich an einer abgelegenen Stelle, die Bottle Creek heißt. Das ist der Durchlass zwischen Middle Caicos und North Caicos, eine Gegend, in der sich nur wenige Menschen aufhalten. Hier stieß ich auf eine mit zwei Personen besetzte kleine marikulturelle Forschungseinrichtung, die an Verfahren zur kommerziellen Anzucht von Weichschalenkrabben arbeitete.
Die Meeresbiologin Kim hatte einen Delfin gesehen, und dessen Äußeres brauchte sie mir gar nicht erst zu beschreiben. Denn als sie erzählte, dass dieser Delfin ihr bei der Arbeit an den Krabbenreusen glucksend und schnalzend über die Schulter geschaut hatte, wusste ich: Das konnte nur JoJo gewesen sein. Er war ungefähr eine halbe Stunde bei ihr geblieben, um ihr bei der Arbeit zuzusehen, und war dann wieder davongeschwommen. Seither hatte Kim ihn nicht mehr gesehen.
Auch in North Caicos, bei den Fischern und an anderen Stellen der Insel war JoJo in letzter Zeit gelegentlich gesehen worden.
Was mochte mit ihm sein?
In Pine Cay, dachte ich, seien die Chancen, ihn zu treffen, wohl am besten, aber auch da war es schon etwa eine Woche her, dass er beim Spiel mit Toffy
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