JoJo Und Ich
immer, dass wir uns mehr zufällig so gut verstehen, aber es ist uns wohl doch irgendwie angeboren, dass wir die Gefühle und Verhaltensweisen des anderen so gut erfassen«, überlegte ich laut. »Auch deshalb mache ich mir Sorgen, dass sein Lebensraum so klein ist. Wenn hier immer mehr Leute herkommen, wird er vielleicht eines Tages ganz verdrängt.«
Dr. Dobbs nickte. »Über einzeln lebende Delfine aus der Vergangenheit wissen wir, dass sie sich in abgelegenen Gebieten aufhielten, bis die Region erschlossen wurde und sie irgendwo anders unterkommen mussten.«
»Wollen Sie damit etwa sagen, dass JoJo gezwungen sein könnte, sich ein neues Zuhause zu suchen, wenn sein angestammter Lebensraum nicht geschützt wird?«, fragte ich, ohne wirklich eine Antwort hören zu wollen. »Aber die anderen Inseln bieten ihm bedeutend weniger Fanggründe, und es treiben sich da auch viel mehr Haie herum.«
»Ja, das wäre sicher schwierig für ihn«, räumte Dr. Dobbs ein. Traurig schüttelte er den Kopf.
Ich fuhr fort, ihm die ganze Tragweite des Problems darzulegen: »Die Leute sind vielfach so auf das Schwimmen mit Delfinen versessen, dass sie überhaupt keinen Blick für die Bedürfnisse der Tiere haben. JoJo schwimmt durchaus gern in Bereiche, in denen er eine Menge Menschen zum Spielen findet, und wenn er sich weiter vom Strand entfernt aufhält, handelt es sich meistens um seine Futter- und Ruheplätze. Würde man diese Bereiche jetzt kennzeichnen, dann wüssten die Touristen doch gleich, wo sie ihn am besten finden. Ich kenne die Stellen, an die sich JoJo zurückzieht, wenn er krank oder verletzt ist, und auch da wird er schon oft zufällig von Touristen aufgespürt, die nicht wissen, dass es ihm schlecht geht und er Ruhe braucht. JoJo schwimmt dann weg, aber die Leute verfolgen ihn mit ihren Booten und springen vor ihm ins Wasser, um schnell ein paar Fotos zu schießen.« Ich holte tief Luft und fügte abschließend hinzu: »Wir brauchen Kontakte in England, um zu erreichen, dass für JoJo ein Schutzgebiet ausgewiesen und dann auch überwacht wird.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, stimmte Dr. Dobbs zu. »Und nachdem ich JoJo nun erlebt habe, unterstütze ich Sie gern so gut ich kann.«
In seinem Buch schrieb er darüber:
Nach der Begegnung mit JoJo fühlte ich mich nicht nur selbst an einem Neubeginn, sondern sah die ganze Welt vor einer aufregenden Entdeckung stehen. In den Gewässern um die Karibikinsel Providenciales fand offenbar ein Quantensprung in der Partnerschaft von Mensch und Delfin statt, ein inniges Miteinander von Geist und Geist.
Dr. Dobbs wollte sich zuerst an Margaret Thatcher sowie die Entwicklungsbehörde für die britischen Überseegebiete wenden. Und sobald die Korrespondenz zu diesem Thema erst einmal angelaufen war, würde es wohl niemand mehr wagen, JoJo einzufangen und zu verkaufen.
Nach Dr. Dobbs’ Besuch ging es mit meiner Beziehung zu JoJo weiter aufwärts. Sein seit der schweren Erkrankung und der notwendigen Behandlung mit Antibiotika etwas angeschlagenes Vertrauen mir gegenüber erreichte schnell wieder den alten Stand. JoJo entwickelte auch weiter neue Verhaltensweisen und stellte bei Objekten, die wir während unserer Schwimmausflüge besuchten, neue Verknüpfungen her. All das machte mir viel Freude und gab mir Kraft für die bevorstehenden politischen Kämpfe.
Im Laufe der nächsten Monate und aufgrund der Unterstützung durch Menschen wie Dr. Dobbs begannen sich verschiedene neue Entwicklungen abzuzeichnen. Dr. Dobbs und seine Mitstreiter sorgten dafür, dass das JoJo-Schutzprojekt immer in Bewegung blieb. Ich erhielt Kopien der privaten Schreiben an die Premierministerin, an Prinz Charles, die Overseas Development Administration sowie an das hiesige Ministerium für natürliche Ressourcen – alle mit der Anregung, ja dringenden Aufforderung, JoJo unter besonderen Schutz zu stellen.
Es schien alles sehr gut zu laufen, und ich dachte schon, dass ich das Schlimmste hinter mir hatte.
In diese Zuversicht hinein platzte ein Artikel in der Lokalzeitung, der mit der Schlagzeile »Vorsicht vor JoJo« erschien. Im Untertitel hieß es: »Chinesischer Schwimmer von JoJo angegriffen.« Abgedruckt war dann unter anderem ein vom Opfer verfasster Brief an die Redaktion:
Ich schreibe diesen Brief, der im allgemeinen Interesse sein dürfte, um alle Schwimmer in der Bucht von Grace Bay zu warnen. JoJo kann ungemein gefährlich werden. Wir alle kennen diesen Delfin. Es trifft zu, dass er
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