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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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verlassen.
    Als die Wolken ihre Schleusen öffneten, war es, als wenn
die Natur für sie die Tränen vergoss, die ihr nicht vergönnt
waren. Sie beobachtete die Beiboote, die sich durch die
Regenwand kämpften und im undurchsichtigen Grau
verschwanden. Als ein Blitz die Umgebung für kurze Zeit
aufhellte, erkannte sie, dass er sich den Dreispitz
aufsetzte und mit langen Schritten auf sie zuhielt. Trotz
der Schaukelbewegungen des Schiffs überquerte er die Distanz
zwischen Quarterdeck und Fockmast ohne ein Zeichen von
Unsicherheit. Er blieb eine Armlänge vor ihr entfernt
stehen, und das Prasseln des Regens übertönte nahezu seine
Stimme.
    »Es steht mir nicht zu, deine Entscheidung zu richten«,
rief er, »aber solltest du je Hilfe benötigen, hinterlass
mir eine Nachricht unter der gefallenen Palme auf der
Nordseite der Île de la Gonaïve!«
    Jacquotte lächelte trotz ihres Kummers. »Du weißt, ich
kann nicht schreiben«, antwortete sie, und der Donner
grollte über ihren Köpfen, als wolle er sie verspotten.
    Tête-de-Morts Schultern zuckten kurz. Dann griff er unter
sein Hemd und riss etwas von seinem Hals. Beim nächsten
Blitz erkannte sie, dass er ihr eine Kette reichte. Sie
fasste nach dem schweren Anhänger, der noch warm von seinem
Körper war. Weitere Blitze offenbarten ihr ein
sternenförmiges Kreuz, an dessen Ende eine goldene Taube
hing, deren Schnabel im Sturzflug nach unten zeigte.
    »Leg das unter die Palme«, erklärte er ihr. Die Berührung
seiner Hand brannte wie Feuer, und Jacquotte glaubte, es
müsse eine Narbe zurückbleiben.
    »Woher weißt du, wo ich zu finden bin?« Sie ließ zu, dass
er ihr die Kette um den Hals legte und sich dabei vorbeugte,
um das Lederband im Nacken zu verknoten. Ihre Wangen
streiften sich. Sie registrierte das nasse Seidentuch, das
sein Geschwür verbarg.
    »Ich werde dich finden.« Seine Finger bewegten sich über
ihre Haut, während er das Band straffte. Jacquotte zog die
Luft ein. Der Regen kühlte ihren Körper, doch ihr Innerstes
glühte. Sie ergriff seinen Unterarm und zwang ihn, zu
verharren. Ihre Blicke trafen sich. Sachte umfasste er ihr
Gesicht. Sie presste sich an ihn, spürte die Muskeln unter
seinem Hemd und das Pochen seines Herzens. Seine Arme
umschlossen sie fordernd. Vorsichtig barg sie ihren Kopf an
seiner Schulter, atmete seine feuchte Haut und genoss die
unerwartete Nähe. Ihre Hände krallten sich in seinen Rücken.
Sie küsste scheu seinen Hals, hörte sein zustimmendes
Brummen und fühlte seine Hände gleichsam auf ihrem eigenen
Körper, wobei er sorgsam darauf bedacht war, ihre
Verletzungen nicht zu berühren. Mutig fuhr sie unter sein
Hemd. Sie spürte wulstige Narben und weiches Brusthaar. Sein
Atem an ihrem Ohr brachte ihren Unterleib in Wallung. Sie
wollte mehr, so unendlich viel mehr! Sie wollte, dass er all
die Dinge mit ihr tat, die nur ein Mann einer Frau antun
konnte. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was war nur mit ihr
los? Sie wünschte sich, anerkannt zu werden und benahm sich
wie eine Dirne! Die Erkenntnis lähmte sie. Für einen Moment
hielt sie inne. Doch dieser reichte aus, um Tête-de-Mort die
Umarmung lösen zu lassen. Der Regen füllte die Lücke, die
zwischen ihnen entstand. Je weiter er von ihr abrückte,
desto größer wurde die Leere in ihrem Herzen. Sie drehte
hilflos die Handflächen nach oben und sah ihn an. Seine
Augen lächelten wissend.
    »Geh jetzt«, befahl er und brachte sie in die Realität
zurück. Der Donner krachte, und sie fuhr herum. Das
Wellental, in dem sie sich gerade befanden, ließ die
herannahenden Beiboote beinahe über die Reling schießen.
Blitze schossen aus den tiefhängenden Wolken, und die Männer
zogen instinktiv ihre Köpfe ein. Jan und Levache
umklammerten mit aller Kraft die Seile, die ihnen die
Ruderer zuwarfen.
    »Alle Mann in die Boote«, schrie Jan in das Heulen des
Windes hinein. »
Zo vlug mogelijk

    »Männer, `s wird ernst, er redet holländisch«, scherzte
Levache trotz der Anstrengung und stemmte seine Beine
routiniert gegen die Balustrade.
    Die Männer drängten heran. Zu gewaltig waren die
Wassermassen, die in den Hafen drückten, zu unheimlich das
Schauspiel über ihren Köpfen. Jacquotte fiel in eines der
Beiboote, bevor eine mächtige Welle darüber hinweg
schwappte. Hustend klammerte sie sich mit einer Hand fest,
während sie mit der anderen zupackte, um weitere Männer in
das schaukelnde Gefährt zu

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