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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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sie heute mein Schiff verlassen. Ihre Eigenwilligkeit
entzieht sich jeder Kontrolle.«
    Jérôme lächelte. »Ich bin erleichtert zu hören, dass sie
noch dieselbe ist.«
    »Aye.« Die Augen des Totenkopfs wurden sanft. Jérôme
bemerkte es und wusste mit einem Mal, dass er seinem Kamerad
trauen konnte. Er stand auf und schlug Tête-de-Mort dankbar
auf die Schulter. Vielleicht lag es am Unwetter, aber an
diesem Abend spürte er sein Alter.
    »Sag mir eins: Wo ist sie in diesem Augenblick? Ich möchte
sie sehen. Wer weiß, ob sich unsere Wege noch einmal
kreuzen.«
    »Ich denke, sie nimmt ein Bad«, brummte Tête-de-Mort.
    Jérôme hielt inne. »Ein Bad?«, wiederholte er ungläubig.
    »Aye.« Sie sahen sich an. Ihr nachfolgendes Gelächter
erregte die Aufmerksamkeit der Gäste. Jérôme schüttelte
amüsiert den Kopf. Es war beruhigend zu wissen, dass der
rote Heißsporn einen Beschützer hatte.
    Jacquotte knöpfte ihr Leinenhemd zu und griff nach der
Weste. Beinahe hätte sie die rußende Öllampe umgestoßen, die
dunkle Schlieren an der Mauer hinterließ und die
Stockflecken überlagerte, die sich von der Decke bis zum
Boden zogen. Die Luft war feucht, obwohl die Magd den
Badezuber längst entfernt hatte. Am liebsten hätte sie das
Fenster aufgerissen, aber die Windläden waren von außen
geschlossen worden, um das Eindringen von Wasser zu
verhindern. Sie hörte, wie der Sturm an ihnen rüttelte. Der
nasse Stoff verursachte Gänsehaut auf ihrem Körper. Für das
Trocknen der Kleidung wollte die Wirtin extra Münze sehen,
doch Jacquotte hatte abgelehnt. Sie wusste nicht, wie lange
sie mit der Handvoll Achterstücke zurechtkommen musste, die
sie bei sich trug. Ein Großteil ihrer Prise war an den
inciseur
gegangen, der in diesem Moment vermutlich in einer
Taverne saß, sich volllaufen ließ und darauf wartete, dass
eine Kaperfahrt an ihn herangetragen wurde. War er von
Anfang an dabei, so stand ihm ein Teil der Beute zu, wenn er
im Gegenzug die Mannschaft wieder zusammenflickte. Eine
Fahrt wie die mit Tête-de-Mort, bei der jeder für sich den
Wundarzt bezahlte, brachte ihm vergleichsweise wenig ein.
    Jacquotte lief im Zimmer auf und ab. Sie fragte sich, bei
welchem Kapitän sie anheuern sollte. Nur wenige Schiffe
lagen derzeit im Hafen. Wenn sie Glück hatte, nahm sie ein
Handelsfahrer mit. Sie überlegte, ob es ratsam war, Cayone
den Rücken zu kehren und in Port Royal, fernab des
Einflusses von Michel Le Basque, neue Kontakte zu knüpfen.
Pierre hatte es gewagt und war erfolgreich gewesen. Sie
schüttelte den Kopf und verdrängte den Gedanken an ihren
Jugendfreund. Er war ihr kein Vorbild. Sie musste ihren
eigenen Weg finden. Entschlossen hielt sie auf die Tür zu,
vergewisserte sich, dass ihre Waffen geladen und
einsatzbereit an ihrem Gürtel baumelten, und betrat den
Flur. Sie hörte das Prasseln des Regens und bemerkte, dass
die Tür im unteren Stockwerk offenstand. Ein Mann sprach
gedämpft zu der Magd mit den üppigen Hüften. Jacquotte hielt
inne. Die geschwungenen Gitterstäbe des Treppengeländers
zogen sich durch seinen imposanten Rücken. Ein plötzlicher
Windzug schlug die Tür ihres Zimmers ins Schloss und sie
erstarrte. Der Besucher drehte sich um und sah zu ihr empor.
Jérôme! Ihr stockte der Atem. Sie trat zwei Schritte zurück,
bis die Wand ihren Rückzug abbremste. Ihre Finger krallten
sich in den groben Stein. Sie hörte das Ächzen der hölzernen
Treppe und sah sich hektisch um. Es gab keine
Fluchtmöglichkeit. Als er den Treppenabsatz erreichte,
wandte sie ihm den Kopf zu und entrollte die Peitsche.
    »Beim Barte Neptuns«, stieß Jérôme hervor. »Du hast dich
wahrlich verändert. Sie dich an! Émile wäre stolz auf dich.«
    Sie spannte ihre Muskeln, bereit gegen ihn anzutreten. »Du
hast dich auch verändert. Deine Frau füttert dich zu gut«,
bemerkte sie mit Blick auf seinen Bauchumfang.
    Jérôme grinste. »Aye! Dafür habe ich sie.« Er stockte.
»Dann ist die Kunde, dass ich Frau und Kinder habe, bereits
bis zu dir vorgedrungen?«
    Jacquotte nickte. »Ich hörte davon.«
    Sie belauerte seine Bewegungen, registrierte das Keuchen
und die Hand, mit der er sich am Geländer abstützte. Er ist
kein ernsthafter Gegner mehr für mich, stellte sie fest. Die
Tatsache beschwichtigte sie. Bedächtig ließ sie die Peitsche
sinken, wickelte die Enden um ihre Handgelenke und zog sie
straff, so dass sie wie ein schützendes Schild vor

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