Joli Rouge (German Edition)
prallten sie gegen die zahlenmäßig unterlegenen
Brüder und verkeilten sich ineinander. Jacquotte stach, hieb
und kämpfte wie besessen. Sie durchschnitt Fleisch, sah Blut
spritzen und brüllte die dunklen Angreifer an, die mit dem
Mut fochten, der nur Verzweifelten zu eigen war. Worte einer
rätselhaften Sprache hingen in der Luft und vermischten sich
mit den gequälten Schreien der Verwundeten. Ein mächtiger
Mohr, stämmig wie eine Palme und massig wie ein alter Eber,
schlug ihr die Machete aus der Hand und brachte sie mit
einem Stoß seines Ellbogens zu Fall. Jacquotte keuchte auf
und drehte sich, um seinem drängenden Säbel auszuweichen,
den er leidlich, aber mit großem Eifer führte. Wie ein
hungriger Fregattenvogel stieß er immer wieder hinab, um
seine Beute aufzuspießen, doch Jacquotte wand sich geschickt
zwischen den Beinen der Kämpfenden. Erst, als sie eingekeilt
war, und er seine Stichwaffe in ihre Hüfte bohrte, holte sie
instinktiv aus und durchschnitt ihm mit ihrem Dolch die
Wade. Wie ein gefällter Baum brach der Mohr zusammen, und
sie sprang auf die Füße. Ihre Wunde schmerzte, aber sie war
gezwungen, den nächsten Angriff zu parieren. Sie konnte
keinen ihrer Männer mehr ausmachen.
Panik erfasste sie, bevor sie sich im Kampf mit zwei
weiteren Sklaven wiederfand. Erneut traf sie eine scharfe
Klinge. Sie stöhnte auf und versuchte, sich aus der
Gefahrenzone zu bringen. Doch die Mohren hatten Blut
gewittert. Wie Spürhunde setzten sie ihrem verwundeten Opfer
nach. Jacquotte blickte in ihre pechschwarzen Augen und
wusste um ihr Schicksal. Sie würden sie in Stücke reißen,
wenn sie sie zu fassen bekamen. Bedrohlich zog sie ihre
Säbel durch die Luft, um sich Freiraum zu erkämpfen. Ein
Stein traf ihre Schulter und ließ sie taumeln. Die Männer
lachten höhnisch. Jacquotte sah sich um. Sie war alleine.
Ihr Magen zog sich zusammen. Sie hörte das Klicken eines
Pistolenschlosses. Die Menge teilte sich und machte den
Blick auf den großen Mohren frei, der in einer Blutlache am
Boden saß, seinen zahnlosen Mund enthüllte und entschlossen
auf sie zielte. Sie schluckte und ihre Gedanken überschlugen
sich. Aus den Augenwinkeln sah sie ein einsames Schwein an
sich vorüberrennen, vernahm das gurgelnde Gelächter der
Männer und spürte ihr Blut heiß aus mehreren Wunden ihren
Körper verlassen. Sie sehnte sich nicht nach dem Tod, jetzt
wo er nahe war. Aber sie würde ihn mit hocherhobenem Haupt
annehmen.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Grinsen.
Sie hob die Arme und kreuzte die Säbel über ihrem Kopf. Der
Mohr stutzte. In diesem Moment kam Bewegung in die Menge.
Der Schuss krachte, doch er traf einen Sklaven, der sich ins
Mündungsfeuer hatte drängen lassen. Die Kugel durchschlug
ihm den Bauch und ließ ihn zusammensacken. Jacquotte sah
sich um und erblickte weitere Flibustier, die die Straße
hinabstürmten. Pierre! Sie erkannte sein unnachgiebiges
Gesicht, mit dem er die Männer anführte. Er warf ihr einen
kurzen Blick zu, bevor er sich in die Menge stürzte. Sie
folgte ihm. Seine Bewegungen waren ihr vertraut. Er kämpfte
wie einst, auch wenn er grausamer geworden war. Besaß er
früher noch die Gnade, seinen Gegnern einen raschen Tod zu
bescheren, so verletzte er sie heute nur, bis sie wehrlos
vor ihm am Boden lagen und ihn anflehten, sie zu töten.
Jacquotte beobachtete ihn gespannt und hielt ihm den Rücken
frei. Überdeutlich spürte sie die Hitze seines Körpers.
Vergessen geglaubte Gefühle stiegen in ihr auf, und das Blut
trieb sie mit der Anspannung durch ihre Adern.
Die Flibustier bekamen Oberhand. Der große Mohr starb
durch Pierres Säbel. Jacquotte sah das Licht in seinen Augen
schwinden, als sein Leib hintenüberfiel. Sie starrte ihn an.
Beinahe hätte er ihr das Leben genommen, doch nun hatte
Pierre beglichen, was ihre Aufgabe gewesen wäre. Sie wehrte
einen weiteren Angriff ab und sah endlich, dass die
restlichen Sklaven die Flucht ergriffen. Einige Flibustier
setzten ihnen nach, aber die meisten hielten inne, um Atem
zu schöpfen. Pierre drehte sich um. Ihre Blicke trafen sich.
Jacquotte bemerkte Blut, das ihm von seiner aufgeplatzten
Lippe über das markante Kinn lief. Seine Gesichtszüge
entspannten sich für einen Moment, als er ihr die Machete
reichte, die sie während des Kampfs verloren hatte. Sie nahm
sie entgegen. Pierre fuhr sich mit dem Handrücken über den
Mund. Ein letztes
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