Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
Vom Netzwerk:
Mal studierte er ihr Gesicht, bevor er
seinen Männern mit einer kurzen Drehung seines Kopfes zu
verstehen gab, dass es an der Zeit war, sich zurückzuziehen.
    Jacquotte blieb zurück. Ihre Männer waren tot. Sie stieg
über ihre leblosen Körper und blickte in starre Augen.
Schuldgefühle nagten an ihr, doch sie rang sie nieder. Das
Leben der Flibustier war eine Reise mit dem Tod. Er
erwartete einen jeden Tag, auf dem Meer ebenso wie an Land.
Die Männer hatten ihn gekannt. Sie setzten ihre Reise nun in
seiner Begleitung fort. Es war das alte Lied.
    Sie beschloss, unverzüglich den Rest ihrer Mannschaft
aufzusuchen und ihnen von dem Überfall zu berichten. Später
würden sie gemeinsam zurückkehren, um ihre Brüder zu
beerdigen. Energisch hob sie den Kopf und setzte hinter
Pierre her. Als sie Anschluss an seine Gruppe gefunden
hatte, verlangsamte sie ihr Tempo. Ihre Wunden pochten, doch
noch war es nicht an der Zeit, sich darum zu kümmern. Je
näher sie dem Hafen kamen, desto größer wurde der Lärm.
Plündernde Horden schleppten in Richtung Kirche, was sie zu
tragen vermochten. Manch Flibustier wankte bereits unter dem
Rausch des Alkohols. Einige hatten sich Frauenkleider
angelegt und taumelten begleitet von Gelächter durch die
Straßen, während andere sie aus den oberen Stockwerken mit
faulem Obst bewarfen. Jacquotte drängelte sich bis zur
Kirche vor, in deren Innerem die eingesammelte Beute
aufgeschichtet wurde. Feuer, über denen Hühner brieten,
brannten vor dem Altar. Weinfässer waren vor die Sakristei
gerollt worden und entzündeten die Kehlen und die Stimmung
der Männer. Mittendrin hielt der Baske Hof, die Hände
herrisch vor der kräftigen Brust verschränkt. Er starrte
Jacquotte entgegen.
    »Was habt Ihr zu vermelden, Antoine Du Puits?«, rief er
gegen den Lärm an, den die steinernen Wände zurückwarfen.
    »Wir sind überfallen worden, großer Baske«, berichtete sie
mit fester Stimme. »Marodierende Sklaven treiben am
Stadtrand ihr Unwesen. Meine Männer wurden alle
dahingemetzelt.«
    Michel Le Basque zog seine buschigen Augenbrauen hoch. »Wo
steckt Kapitän L’Olonnais? Er sollte dieser Sklaven habhaft
werden! Vielleicht berichten sie uns, wohin ihre Herren
gezogen sind.«
    »Ihr befehlt die Truppen an Land«, konterte Jacquotte.
»Ihr solltet den Aufenthaltsort Eurer Männer besser kennen
als meine Wenigkeit.« Sie wich zwei streitlustigen
Raufbolden aus.
    »Hah!« Der Baske warf seinen Kopf zurück. »Mäßigt Euch,
Kapitän Du Puits! Wart Ihr es nicht, der sich für den
Olonnaisen verbürgt hat?«
    »In der Tat. Aber ich bin nicht in der Lage, ihm Befehle
zu erteilen!« Sie fixierten sich über das Getümmel hinweg.
Ärgerlich langte der Baske nach einem der Schläger. Es sah
aus, als wolle er eine lästige Fliege abwehren. Seine Faust
traf den Mann versehentlich an der Schläfe, und er ging zu
Boden. Der Baske schnaubte und trat an Jacquotte heran.
    »Wem folgt Ihr, Du Puits? Mir oder dem Olonnaisen?« Er
musterte sie eindringlich.
    »Ich folge dem Kodex und mir selbst!« Sie sah ihm in die
Augen.
    »Findet den Olonnaisen für mich, und ich werde dafür
sorgen, dass er seine Pflicht tut«, erwiderte der Baske mit
unbewegtem Gesicht. Jacquotte verharrte kurz, nickte dann
und wandte sich ab.
    Während sie sich durch die Menge kämpfte, begegnete sie
Pierres Blick. Sie hielt inne. Er war offenbar auf dem Weg
zum Basken, doch er blieb stehen. Für einen flüchtigen
Moment sahen sie sich an.
    »Picard!« Die Stimme von Michel Le Basque duldete keinen
weiteren Aufschub. Pierre senkte den Blick und setzte seinen
Weg fort. Sie sah ihm nicht nach.
    Als sich die Nacht über die brodelnde Stadt senkte und das
Grölen der betrunkenen Männer die Laute der Gefolterten
übertönte, saß Jacquotte am Fenster eines verlassenen Hauses
abseits der Prachtbauten. Brände, entzündet aus feinstem
Mobiliar, erhellten die zerschundenen Fassaden. Zerbrochene
Krüge pflasterten die Straßen, Milch und Mehl vermischten
sich mit Blut, Federn und Innereien eilig geschlachteter
Hühner. Die Schweine verschonte man für die Gelage der
nächsten Tage und hatte sie in Pferchen um die Kirche
zusammengetrieben. Ihr Grunzen hallte durch die Dunkelheit.
Die Flibustier schöpften aus dem Vollen, zerstörten
spanischen Besitz und spuckten auf alles, was sich nicht zu
Geld machen ließ. Sie hatte sich dem Treiben lange genug
hingegeben und war froh, den

Weitere Kostenlose Bücher