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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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ihre Männer
um sich. Die Schwerverletzten wurden zurückgelassen. Sie
erhielten Befehl, erst zur Stadt vorzudringen, wenn die Lage
unter Kontrolle war. Andernfalls hatten sie sich rechtzeitig
zurück zu den Schiffen zu begeben.
    Jacquotte folgte L’Olonnais, der in vorderster Front
Stellung bezog. Der Qualm des abgefeuerten Pulvers verzog
sich und ließ Sonnenstrahlen auf den feuchten Boden fallen,
der in der Wärme zu dampfen begann. Morsche Bäume enthüllten
ihre moosbedeckte Rinde, und bunte Vögel erfreuten sich mit
glockenklaren Lauten am anbrechenden Tag. Die Ruhe war
trügerisch. Jacquotte zwang sich, ihre Gedanken auf das
bevorstehende Unterfangen zu richten. Hinter grotesk in den
Himmel ragenden, abgestorbenen Baumriesen hatten sich die
Bukaniere aufgebaut, gefolgt von einigen Pulverratten, die
weitere geladene Musketen bei sich trugen. So war ein
schnell aufeinanderfolgender Beschuss garantiert. Mit
wachsender Ungeduld verharrten die Brüder in ihren
Verstecken. Langsam erwärmte sich die Luft. Jacquotte
spürte, wie ihr der Schweiß über Hals und Rücken lief. In
der Ferne waren die Stimmen der Spanier auszumachen. Sie
spannte ihre Muskeln. Die ersten Soldaten wagten sich aus
den schützenden Wällen, um die Leichen der Angreifer zu
begutachten. Weitere Minuten vergingen, bis endlich das
Signal der Indianer zu ihnen vordrang. Tierähnliche Laute
brachten Bewegung in die Truppe. Aufgeregte Rufe und
Schmerzensschreie der Spanier untermalten L’Olonnais‘
Handzeichen, mit dem er die Brüder aufforderte, ihm zu
folgen. Das Vorankommen gestaltete sich bei Tageslicht
einfacher, da die behelfsmäßigen Wegbefestigungen inzwischen
festgetreten und besser zu erkennen waren. Flink drangen die
Flibustier bis zu jenem Punkt vor, der ihnen noch vor einer
Stunde beinahe zum Verhängnis geworden wäre.
    Diesmal empfing sie kein Kanonenfeuer, sondern eine große
Anzahl panisch umherlaufender Männer, die sich vor den
Pfeilen zu verstecken suchten, die aus uneinsehbaren Winkeln
des Waldes auf sie abgeschossen wurden. Mitten in dieses
Chaos stürzten sich die brüllenden Flibustier. Sie
erschossen die Umherirrenden und gingen schließlich mit
ihren Säbeln und Macheten auf diejenigen los, die sich
hinter die Schutzwälle zurückziehen wollten. Es folgte ein
unerbittlicher Kampf, der unzählige Tote auf der grünen
Lichtung zurückließ. Die Strategie des Überraschungsangriffs
versprach aufzugehen. Die Spanier fanden nicht mehr zu
ihrer vorherigen Kampfformation zurück und flüchteten sich
in den Wald, ihre gnadenlosen Verfolger dicht hinter sich.
Kaum waren die Schutzwälle eingenommen, schwappte die Welle
der Angreifer in die verheißungsvolle Stadt.
    Gemeinsam mit L’Olonnais war Jacquotte eine der Ersten,
die ins Innere von Gibraltar vordrang, während sich die
übrigen Brüder noch bemühten, die annektierten Kanonen
umzudrehen und gegen die vorderste Häuserreihe zu richten.
Die Kirchenglocken schlugen Alarm. Der Tumult in den Straßen
erreichte seinen Höhepunkt. Frauen und Kinder schrien und
rannten mit quiekenden Mauleseln um die Wette, auf denen in
aller Eile wertvoller Hausrat festgezurrt worden war.
Sklaven nutzten das Durcheinander und plünderten verlassene
Häuser. Hunde hatten sich winselnd in Hausecken
zurückgezogen und schnappten wütend nach den Flüchtenden.
Hühner flatterten aufgeregt umher. Aus verbarrikadierten
Fenstern wurde auf die Eindringlinge geschossen. L’Olonnais
und Jacquotte trennten sich, um die Männer anzuführen, die
ihnen folgten. Noch war es nicht an der Zeit, Gefangene zu
machen, und die Brüder meuchelten jeden Einwohner nieder,
der ihren Weg kreuzte. Schnell war klar, dass die Bewohner
durch das rückwärtige Stadttor zu fliehen versuchten, und
Jacquotte schickte ihre Männer aus, um sie zurückzuholen.
Die weiß getünchte Kirche in der Stadtmitte wurde, wie
bereits in Maracaibo, zum Stützpunkt der Flibustier ernannt.
Kaum waren die Glocken verklungen, holte man die spanische
Flagge herunter und verbrannte sie unter Jubelrufen am
Marktplatz, während immer mehr Einwohner von ihren
unbarmherzigen Verfolgern in die Stadt zurückgetrieben
wurden. Jacquotte überblickte die Situation und zog erneut
los, um dabei zu helfen, die Lage unter Kontrolle zu
bringen. Ihre hitzköpfige Mannschaft war bereits
ausgeschwärmt, um die Häuser zu plündern, und sie fand sich
allein im Gemenge der Gassen wieder.

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