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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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strategischen Denken, das er sich in der britischen Armee
angeeignet hatte. Es erschien irrsinnig, mit knapp
vierhundert Mann gegen eine vermutlich doppelt so große
Gegenwehr, die sich hinter zuverlässigen Mauern verschanzen
und Kanonen ihr eigen nennen konnte, anzutreten.
    »Aye!« Jan Willems nickte. »Wir müssen Druck machen. Ein
gezielter Angriff lässt sie glauben, dass wir in der
Überzahl sind. Diese Verunsicherung kann sich als Vorteil
erweisen.«
    »Auch ich stimme Kapitän L’Olonnais zu. Die zu erwartende
Prise erhitzt die Gemüter der Männer. Sie werden über sich
hinauswachsen“, äußerte sich Kapitän Aymé. Sein Gesicht
zierte eine frische Narbe, und er humpelte. Marodierende
Sklaven hatten ihm zugesetzt.
    »Kapitän L’Olonnais hat Recht«, sprach sich Antoine Du
Puits aus. »Wir sollten den Feind wie eine gewaltige Welle
überrollen. Setzt er uns massiv zu, ziehen wir uns zurück,
um ihn aus seinen Schlupflöchern zu locken. Ist er erst vor
den Toren der Stadt, zwingen wir ihn in die Knie!«
    »Aye!« Pierre Le Picard erhob seine Stimme. »Es ist
besser, die Spanier in einem guten Kampf zu schlagen, als
sie später auf die Folterbank zu legen, um die Verstecke
ihrer Wertsachen zu erfahren. Wir sollten dieses Mal
vermeiden, dass die Einwohner mit ihrem Hab und Gut fliehen.
Das gelingt einzig, wenn wir sie überraschen und die Stadt
überrennen.«
    Bigford glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Was brachte
Le Picard zu einer derartigen Aussage? Er hasste L’Olonnais
und intrigierte mit dem Basken gegen ihn, und doch war er
bereit, ihm zu folgen? Diesem Tatendrang hatte Bigford
nichts entgegenzusetzen.
    Er nickte spontan. »Aye! Ich unterstütze diesen
Vorschlag.«
    Der Baske senkte den Kopf. L’Olonnais‘ siegessicheres
Grinsen, das sich allmählich auf sein Gesicht gestohlen
hatte, vertiefte sich.
    »Ich werde diesen Angriff anführen«, sprach er und
versetzte dem Basken damit den Todesstoß. »Aber merkt Euch
eins: Den Ersten, der sich im Gefecht nicht mutig zeigt,
erschieße ich!« Er lachte, und Bigfords Magen zog sich
unangenehm zusammen. Der Baske gab sich geschlagen und
nickte. Es war besiegelt.
    Bigford fing den Blick von Pierre Le Picard auf und
stutzte, als sich dessen Gesicht verfinsterte. Irritiert sah
Bigford, dass er L’Olonnais und Du Puits beobachtete, die
zufriedene Worte miteinander wechselten. Die Erkenntnis
überraschte ihn. Es ging Picard nicht um L’Olonnais! Er
verabscheute ihn nach wie vor. Bigford trat zurück, um
Picard besser beobachten zu können. Es war Antoine Du Puits,
den er zu unterstützen gedachte. Aber weshalb? Bigford fand
keine Erklärung. Er wusste nichts über die Beziehung
zwischen Picard und Remi, doch soweit er es beurteilen
konnte, war Picard Frauen mehr zugetan als Männern. Er lebte
mit Jérômes Witwe unter einem Dach, und dabei hatte er
vermutlich nicht nur ihren Schutz im Sinn. Was also zog
Picard zu diesem widerwärtigen, ungepflegten Antoine Du
Puits? War es eine Verschwörung?
    Bigford musterte den kahlen Schädel mit den hohen
Wangenknochen. Du Puits war ungehobelt, gab sich abweisend
und selbstgefällig, trug zu jeder Zeit einen dunkelroten
Umhang über seinen zerschlissenen, schwarzbraunen Gewändern
und war bewaffnet wie eine Kriegsgaleone. Seine Augen
blickten stechend, der Mund war hart, das Kinn fein, aber
halsstarrig vorgeschoben. Bigford hielt inne und ihm war,
als ob er einer Spur folgte, von der er noch nicht wusste,
wohin sie ihn führte. Das trotzige Kinn, Widerworte, ein
unbezähmbarer Wille. Er wurde nervös. Es kam ihm vor, als
wäre des Rätsels Lösung zum Greifen nahe, doch er kam nicht
darauf. Ärgerlich versuchte er, sich zu konzentrieren. Sein
Blick flog zwischen Picard und Du Puits hin und her. Die
übrigen Kapitäne zerstreuten sich und Bigford jonglierte mit
seinen Erinnerungen. Pierre Hantot, Jérôme, das entstellte
Kind. War es möglich, dass dieser Du Puits Jacquottes Bruder
war? Stand ihm Picard deshalb zur Seite? Unmöglich! Bigford
verdrängte den Gedanken wieder. Niemals hätte der Zwerg eine
derartige Entwicklung durchmachen können. Auch wenn Du Puits
Art bisweilen etwas von der Glut anhaftete, welche der roten
Jacquotte zu eigen gewesen war. Er stockte. Yanis le
Jouteur. Sie hatte es bereits einmal getan! Wagte sie, sich
ein zweites Mal als Mann auszugeben? Bigford erlaubte sich
nicht, seine fixe Idee fortzuführen. Zu abwegig

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