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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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nachzutrauern, doch das
Ereignis dieses Nachmittags relativierte alles. Zum ersten
Mal wünschte sie seine Gegenwart herbei. Sie wollte ihn an
ihrer Seite haben, damit sie nicht alleine entscheiden
musste, was zu tun war. Aber er hatte es vorgezogen, sich
davon zu machen und sie im Stich zu lassen. Er war der
Bruderschaft beigetreten und seinen eigenen Weg gegangen,
auf dem sie ihm nicht folgen konnte. Der Knoten in ihrem
Hals wurde durchgängiger. Die ersten Tränen flossen, und
Jacquotte wischte sie aus dem Gesicht. Obwohl es eine
Erleichterung war, verachtete sie sich dafür, weil sie um
Pierre anstatt um ihren Vater weinte. Wie ein schwaches Weib
sehnte sie sich nach der Gesellschaft eines Mannes. Aber
kaum brachen die Tränen Bahn, entzogen sie sich ihrer
Kontrolle. Jacquotte schluchzte auf. Wohin sollten Manuel
und sie jetzt gehen?
    Sie blickte auf das Gesicht ihres Bruders, das vom
Mondlicht erhellt wurde. Er war auf sie angewiesen. Mutlos
schlang sie die Arme um ihre Knie und wiegte sich vor und
zurück. In dieser Position verharrte sie die restliche
Nacht. In der Morgendämmerung begann es in den Blättern der
Bäume über ihr zu rascheln. Sie spürte, wie der Wind drehte,
und es war, als ob er ihren Kummer mit sich nahm. Lange
starrte sie die Umrisse der Île de la Tortue an, während
sich in ihrem Kopf eine Idee festsetzte. Sie streckte sich
und ging in den hinteren Teil der Höhle, um die Vorräte zu
überprüfen.
    Tage später, als Manuel noch schlief, ließ Jacquotte den
Hund bei ihm zurück und schlich im Schutz der
Morgendämmerung in Richtung Siedlung. Sie war auf der Hut,
denn sie wusste nicht, was zwischenzeitlich unter den
Männern vorgefallen war. Ihr Verschwinden blieb gewiss nicht
ohne Fragen, und sie fürchtete Bigford. Sein Wort war nicht
unbedeutend und auf den Schutz, den ihr der Stand ihres
Vaters zugesichert hatte, durfte sie nicht mehr vertrauen.
Sie war nicht länger die Tochter von Émile Delahaye, sie war
nun die rote Jacquotte. In Ermangelung von Frauen kannte sie
das Verlangen der Männer inzwischen und wusste, was Bigfords
Absichten ihr gegenüber waren. Sie zweifelte nicht daran,
dass sie sich zur Wehr setzen musste, wenn man sie zu fassen
bekam. Aus diesem Grund machte sie einen Bogen um die
Tabakfelder und näherte sich der Siedlung nicht auf den
üblichen Pfaden. Bisweilen hörte sie in der Ferne die
Stimmen der Schweine- und Stierjäger, doch es gelang ihr,
ihnen rechtzeitig aus dem Weg zu gehen. Selbst ihre Hunde
nahmen keine Witterung auf. Unbehelligt erreichte sie bei
Sonnenaufgang die verlassenen Hütten. Fast erwartete sie,
ihren Vater wie gewohnt vor der seinen sitzend vorzufinden,
aber der Platz war verwaist und sie wandte den Blick ab.
Vorsichtig sah sie sich um. Es war niemand zu sehen, und sie
beschloss, Werkzeug und Waffen aus der
ajoupa
zu holen. Ohne
diese Dinge war es ihr nicht möglich auf die Jagd zu gehen,
und die Vorräte in der Höhle gingen langsam zur Neige.
    Sie hatte kaum zwei Schritte auf den Platz getan, als sie
das Klicken einer Pistole hörte, deren Schloss gespannt
wurde. Nervös blieb sie stehen.
    »Was pirscht du dich wie Diebesgesindel heran?«, zerriss
Jérômes markante Stimme die morgendliche Ruhe. Wieder das
Klicken, diesmal jedoch, weil der Hahn zurückgelegt wurde.
Jacquotte sah ihm entgegen, als er aus der Deckung einer
Hütte auf sie zukam. Ein unordentlicher Bart verlieh seinem
Gesicht einen noch verschlageneren Ausdruck als sonst und
seine Augen glichen zwei dunklen Höhlen.
    »Wo warst du?«
    »Ich hielt es nicht für ratsam, nach Vaters Tod länger als
nötig zu verweilen.« Sie beobachtete ihn. Was hatte er vor?
    »Ich habe von deiner tapferen Tat während des Angriffs
gehört. Die Männer reden von nichts anderem.«
    »Würfeln sie um mich?« Jacquotte suchte unauffällig nach
Fluchtmöglichkeiten.
    »Ich hacke ihnen ihre Arme ab, wenn sie es wagen!« Jérôme
blieb in einigem Abstand vor ihr stehen. »Hat jemand Hand an
dich gelegt?«
    Sie schüttelte den Kopf und hielt seinem intensiven Blick
stand. »Dafür müssen sie meiner erst habhaft werden.« Sie
zog ihre Mundwinkel leicht nach oben.
    »Besonders, da du besser schießt als ein
mousquetaire

Jérôme erwiderte ihr Lächeln und sein Gesicht wurde für
einen Augenblick weich. »Du hast gut daran getan zu
verschwinden. Die Spanier kamen eine Nacht später zurück und
metzelten weiter. Die Männer sind

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