Joli Rouge (German Edition)
der Jubel um sie herum
anschwoll.
Jacquotte sah Jan in der ersten Reihe stehen und
applaudieren. Verstohlen zwinkerte sie ihm zu und spürte,
wie Stolz und Erleichterung ihre Nervosität ablösten. Sie
hatte es geschafft! Gefasst blickte sie Michel Le Basque
hinterher, der lächelnd zum nächsten Burschen trat, und
dachte an ihren Vater. Du hast ihm das Leben gerettet und
jetzt hat er meins gerettet, sprach sie zu Émile und sah ihn
vor seiner Hütte sitzen, wo es ihm stets am besten gefallen
hatte.
Den Rest der Zeremonie bekam sie nur am Rande mit.
Ungeduldig erwartete sie das Ende. Als es soweit war, ging
der Tumult los. Michel Le Basque entließ die Burschen in den
Kreis der Brüder, und Jacquotte wurde sofort von unzähligen
Männern umringt. Man drückte ihr randvoll mit Rum gefüllte
Becher in die Hand, prostete ihr zu und scherzte mit ihr.
Der Name Yanis Le Jouteur und seine kühne Tat verbreiteten
sich wie ein Lauffeuer in Port de Margot. Jan wich ihr nicht
mehr von der Seite und plapperte ohne Unterlass, aber sie
konnte die neuen Eindrücke und Empfindungen kaum
verarbeiten. Wie in Trance leerte sie Becher um Becher, bis
ihr mulmig wurde, gab ruppige Sprüche von sich und brachte
die Männer damit zum Lachen. Jeder versuchte, einen Blick
auf sie zu erhaschen. Bald verlor sie die Orientierung. Zum
Glück war Jan da, der sie zu einem feisten Mann zerrte, der
mit blutigem Messer auf sie wartete. Jacquotte kippte noch
einen Schluck Rum, bevor sie ihm ergeben den rechten Arm
hinstreckte, damit er mit seiner Arbeit beginnen konnte.
Dank des Alkohols war der Schmerz erträglich, und die
drängelnden Männer lenkten sie vom Einritzen des
tataus
ab.
Doch als ihr schließlich das Schwarzpulver in die nässende
Wunde gerieben wurde, überkam sie plötzliche Übelkeit. Nur
mit Mühe gelang es ihr, den Rum bei sich zu behalten, und
sie stürzte eilig davon. Außerhalb der Menge kam sie endlich
zu Atem und sog die klare Nachtluft ein. Ihr Kopf fühlte
sich federleicht an, während ihr Magen rumorte und ihr Arm
schmerzhaft pochte. Jacquotte versuchte, ihre Beine unter
Kontrolle zu bringen, die ihr nicht mehr gehorchen wollten,
und kicherte dabei. Wo zum Teufel war Jan? Sie sah sich um,
doch die Welt schien mit einem Mal zu wanken. Ganz so wie
auf der Barke von Tête-de-Mort. Sie strauchelte und hielt es
für ratsam, erst einmal stehen zu bleiben. Unsicher hielt
sie die Balance. Aus ihrem verzerrten Gesichtsfeld heraus
sah sie Bigford auf sich zuhalten. Sie stöhnte auf. Es
durfte nicht wahr sein! Wie gelang es ihm immer wieder, sie
zu finden? Mit drei unsicheren Schritten taumelte sie nach
rechts und wäre beinahe gestolpert. Sie wollte nach Jan
rufen, aber ihre Zunge verweigerte ihr den Dienst.
Unverständliche Worte kamen aus ihrem Mund, was sie erneut
zum Lachen brachte. Einem leckgeschlagenen Schiff gleich
wankte sie orientierungslos über den Platz, stieß gegen
andere trunkene Männer und ruderte mit den Armen, um nicht
hinzufallen. Wo sollte sie sich verstecken? Jacquotte
versuchte, den Schleier aus ihrem Blickfeld zu blinzeln und
hielt auf eine Holztür zu, aus der gerade ein grinsender
Bruder trat. Doch ehe sie eintreten konnte, wurde sie am Arm
gepackt.
»Halt ein, du kurzbeiniger Krake! Was soll denn das?«,
herrschte sie ein aufgebrachter Koloss mit geflochtenem Bart
an. »Wir warten hier schon länger als du, Suffkopf! Halt
gefälligst deine Tentakel im Zaum!«
Jacquotte schwankte und versuchte, den Mann zu fixieren.
Doch ihre Augen rollten unkontrolliert auseinander, unfähig
ihrer Aufgabe nachzukommen.
»In deinem Zustand solltest du das besser lassen.« Der
Bärtige stützte sie und feixte.
»He, Mann, das ist dieser Yanis«, raunte ihm sein Kamerad
zu, der hinter ihm stand und die Szene beobachtete.
»Das Milchgesicht soll Yanis Le Jouteur sein?«
»Aye, wenn ich’s dir sage. Hab‘ ihn selbst gesehen. Der
kommt gerade vom Ritzen, sieh dir nur seinen Arm an.«
»Der ist betrunken wie’n Schiff voll Indianer! Was will
der bei Morelle? Der findet ihre Höhle in dem Zustand doch
gar nicht.« Die Männer grölten.
Jacquotte verstand nicht, wovon sie sprachen und deutete
nur auf die verschlossene Tür. Sie hatte keine Ahnung, ob
Bigford ihr gefolgt war und fürchtete, er könnte sie jeden
Augenblick mit sich fortzerren.
»Lass ihn gehen, Mann! Der Kerl hat Mumm in den Knochen.
Soll er seinen Anker in der schwarzen See
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