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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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könntest fortlaufen«, stellte Jacquotte fest. Ihre
Stimme kam ihr seltsam fremd vor und dröhnte in ihren Ohren.
    Fayola warf ihr einen erbosten Blick zu. »Das ist ein
dummer Vorschlag. Ich besitze zwei Eigenschaften, die mir
niemals die Freiheit schenken werden: Ich bin schwarz und
ich bin eine Frau. Selbst bei meinem eigenen Volk bin ich
ohne Stimme. Wohin sollte ich gehen?«
    »Aber du hast gekämpft. Ich hörte die Männer davon reden.«
    »Aye. Ich war noch nicht zur Frau geworden, da kamen weiße
Männer in das Dorf, in dem ich lebte. Sie töteten, sie
brannten Hütten nieder und sie machten Gefangene. Mein
Bruder und ich waren darunter. Was meinen Eltern geschehen
ist, kann ich nicht sagen. Ich sah sie nie wieder. Die
weißen Männer brachten uns über das große Wasser auf die
Insel, die ihr Barbados nennt. Viele Angehörige meines
Volkes haben die Reise nicht überlebt. Wir lagen
übereinander im Bauch eines Schiffes, und der Gestank war
abstoßend. Aber ich war zäh, ich habe gekämpft. Auch gegen
die Männer auf dem Schiff, die mich haben wollten. Manchmal
habe ich gewonnen. Auf Barbados verkaufte man uns, und ich
wurde von meinem Bruder getrennt. Ich kam auf eine Plantage.
Wusstest du, dass die Engländer ihre eigenen Leute
versklaven? Mit uns arbeiteten Menschen, die sich Iren
nannten. Sie waren so hellhäutig wie die Plantagenbesitzer.
Die meisten hatten rote Haare wie du.« Fayola betrachtete
eine von Jacquottes Haarsträhnen im Schein des Feuers.
    »Ich bin Französin«, sagte sie und wunderte sich, dass sie
sich zum ersten Mal zum Volk ihres Vaters bekannte.
    Fayola zuckte die Schultern. »Ich kenne mich damit nicht
aus. Ich kann dir nicht sagen, woher ich bin. Selbst wenn
ich wollte, ich würde meine Heimat nicht mehr finden. Auf
Barbados gab es viel Grausamkeit. Dann eines Tages taten
sich einige Männer zusammen, von meinem Volk und dem der
Iren. Sie flohen von der Plantage, und ich schloss mich
ihnen an. Damals war ich wie du. Man hielt mich für einen
Mann. Keiner hätte mich sonst mitgenommen. Ich kämpfte. Ich
lebte. Für einen kurzen Moment musste ich mich keinem Mann
hingeben. Das war die Freiheit, von der man mir erzählt
hatte. Wir hatten ein eigenes Schiff. Einer der Iren war der
Kapitän. Aber dann kamen Männer und überfielen uns. Dabei
durchschnitt man mir das Hemd und alle konnten sehen, wer
ich war. Fayola. Kein Mann. Keiner von ihnen. Sie nahmen uns
das Schiff, unseren Besitz, alles. Sie töteten die Iren und
brachten mein Volk auf diese Insel. Die Insel, die deine
Heimat ist. Es ist schön, dass wir uns wiedersehen. Du hast
ein tapferes Herz.« Fayola lächelte traurig.
    Jacquotte schluckte schwer. Jérôme! Er hatte ihr Schiff
überfallen. Es waren seine Männer gewesen, die Fayola
enttarnt hatten. Sie erinnerte sich an den Abend vor einigen
Jahren und fühlte Scham. Damals hatte sie sich nicht
getraut, Fayola in die Augen zu sehen, weil sie ihr nicht
hatte helfen können. An diesem Abend ging es ihr ebenso.
    »Ich bin jetzt Mitglied der Bruderschaft«, lenkte sie ab
und hob ihren malträtierten Arm, dessen Zeichen bis zur
Unkenntlichkeit verschmiert waren.
    »Die Männer reden viel von der Bruderschaft, wenn sie bei
mir sind«, antwortete Fayola. »Ich verstehe nichts davon.
Sie reden auch viel von der Sache, die sie Politik nennen.
Ich glaubte, in der Bruderschaft kämpfen alle für ein Ziel,
aber es ist schwierig, denn mir scheint, sie wollen alle
etwas anderes. So sind Männer. Du solltest vorsichtig sein.
Es gibt einen Mann, der Anführer werden will. Er kommt oft
zu mir. Er nennt sich Jaque De l’Isle. Geh ihm aus dem Weg.
Er ist kein guter Mann.«
    »Ich kenne ihn. Er wird die Kaperfahrt nach San Jago
Caballero anführen.«
    »Er wird sterben.« Fayola sah ihr in die Augen.
    »Woher willst du das wissen?« Jacquotte erschrak über den
ernsten Gesichtsausdruck der jungen Frau.
    »Ich habe es gesehen. Sein Tod macht den Weg frei für
seinen Gefolgsbruder, einen Mann, der sich Jean-David Nau
nennt. Er ist voller Hass und er wird dein
orí
beeinflussen.«
    »Was redest du da?« Jacquotte hatte aufgrund des Alkohols
noch immer Probleme, sich zu konzentrieren. Das Gerede von
Fayola erschien ihr absurd.
    »Denk an meine Worte. Jaque wird bald sterben. Ich weiß
nicht, wann und wo, aber es wird passieren. Ab dann solltest
du auf der Hut sein.« Fayola kramte vier braune Nüsse unter
ihrem Bett hervor.
    »Sieh

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