Joli Rouge (German Edition)
dürren Lockenkopf, dessen Arme dünn wie Schilfrohr
waren.
»Gebt mir eure rechte Hand«, forderte Michel Le Basque und
ritze den Burschen die Handballen mit einem Messer. »Nun
schwört, dass ihr euch zur Seite stehen werdet! Euer Blut
vereint euch und nur durch Blut kann eure Verbindung wieder
getrennt werden. Willkommen in der Bruderschaft!«
Die Burschen sahen sich in die Augen und sprachen dem
Basken nach. Jacquotte wurde mulmig. Sie würde als Nächste
gefragt werden und einen Gefolgsbruder wollte sie auf keinen
Fall wählen.
Michel Le Basque trat zu ihr. Sie hob den Kopf und sah ihm
fest in die Augen.
»Wie ist Euer Name?«, fragte er.
»Mein Name ist Yanis Le Jouteur.«
Der Baske hob eine Augenbraue. Um seine Mundwinkel zuckte
es. »Wen wählt Ihr zu Eurem Gefolgsbruder, Yanis Le
Jouteur?«
Jacquotte reckte ihr Kinn. »Darf ich Euch eine Frage
stellen?«
»Aye!« Er musterte sie. »Sprecht!«
»Ist das Wählen eines Gefolgsbruders Bestandteil des
Kodex?« Sie glaubte, an ihren eigenen Worten zu ersticken,
so angespannt war sie.
Michel Le Basque lachte überrascht auf. »Gewissermaßen«,
antwortete er ausweichend.
»Nun«, sie suchte nach passenden Worten, um den Basken
nicht zu erzürnen, »ihr habt nichts dergleichen verlesen,
und es liegt nicht in meinem Bestreben, mir einen
Gefolgsbruder zu wählen.«
Das einsetzende Gemurmel wurde zu einem Crescendo. Michel
Le Basque sorgte mit einer einzigen Handbewegung für Ruhe.
Argwöhnisch beugte er sich zu Jacquotte hinunter.
»Wer seid Ihr, Yanis Le Jouteur? Kenne ich Euren Vater?«
Er kam ihr so nahe, dass sie eine Laus über seine Schläfe
huschen sah.
Sie hielt seinem forschenden Blick stand. »Ich denke
nicht. Er fuhr nie zur See und war sein Leben lang Bukanier
in den Wäldern von Tierra Grande. Meine Mutter kenne ich
nicht, sie starb bei meiner Geburt. Mein Vater ist
inzwischen ebenfalls tot.«
Michel Le Basque richtete sich wieder auf. »Kein Wunder,
dass solch ein vorlauter Bursche aus Euch geworden ist«,
konstatierte er. »Ihr solltet wissen, Einsamkeit setzt einem
Mann schlimmer zu als jede Wunde, denn sie schwächt die
Seele. Bedenkt das, bevor Ihr vorschnelle Entscheidungen
trefft.«
»Ich habe das bedacht«, erwiderte sie bestimmt.
»Dann nennt mir jetzt erneut Eure Entscheidung!«
»Ich schwöre auf den Kodex, dass ich mich in Zukunft jedem
vorgetragenen Artikel unterwerfen werde«, sagte sie in
selbstbewusstem Tonfall. »Aber bei meiner schwarzen Seele,
ich verlange nicht nach Gesellschaft. Der Tod ist mir
Gefährte genug. Lasst mich für die Bruderschaft kämpfen und
ich teile meine Prise mit jedem, der es nötig hat!«
Vereinzelte Pfiffe ertönten. Von Jan hatte Jacquotte
bereits gehört, dass man das Wort nur gegen den Anführer
erhob, wenn man Todessehnsucht hatte. Mit einer schnellen
Bewegung zückte der Baske sein Messer. Fast musste sie
lächeln. Wie vorhersehbar die Männer doch waren! Fühlten sie
sich in ihrer Ehre gekränkt, griffen sie sofort zu den
Waffen. Mit drei wendigen Schritten war sie hinter ihm.
Einige Männer lachten.
»Ruhe«, brüllte Michel Le Basque. Ihm war anzusehen, dass
er es nicht schätzte, die Kontrolle zu verlieren. Jacquotte
verübelte es ihm nicht. Erst begehrte De l’Isle öffentlich
gegen ihn auf und jetzt ein Neuling. Gehorsam kehrte sie an
ihren Platz zurück.
»Ihr wagt es?« Der Baske baute sich vor ihr auf.
Furchtlos drückte sie den Hals gegen die ausgestreckte
Klinge. »Ihr könnt mir meine Worte glauben. Schickt mich zu
meinem Gefährten, und es wird mir ein Vergnügen sein, ihm
gegenüberzutreten!«
Michel Le Basque zögerte. »Ihr seid nicht normal«, knurrte
er.
»Ganz recht.« Jacquotte erlaubte sich ein Grinsen. Die
Männer in ihrem Rücken kicherten ebenfalls, und der Baske
stimmte ein. Zaghaft zuerst, dann immer lauter schallte sein
Gelächter durch den Raum.
»Obwohl Ihr mir keinen Respekt entgegen bringt, nötigt Ihr
mir welchen ab, Yanis Le Jouteur. Die Sorglosigkeit der
Jugend ist eine Eigenschaft, die inzwischen nur noch selten
zu finden ist«, erklärte er und wischte sich eine Träne aus
dem Augenwinkel. Die Männer stampften mit den Füßen, und
Michel Le Basque bedeutete ihnen, ruhig zu sein.
»Schon gut«, gab er nach. »Ich nehme Euch in die
Bruderschaft auf, Yanis, der Kämpfer. Aber versprecht mir
eins: Findet erst das Leben, bevor Ihr den Tod findet!« Er
hieb ihr auf die Schulter, während
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