Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
Vom Netzwerk:
her«, sagte sie. »Das sind
obì àbàtà
, die Früchte
eines Baums aus meiner Heimat. Wenn ich sie werfe, dann
beantworten sie dir drei Fragen mit Ja oder Nein. Hast du
Mut?« Sie sah Jacquotte herausfordernd an.
    »Gewiss!«
    »Dann los!«
    »Werde ich im Kampf um San Jago umkommen?«, fragte
Jacquotte.
    Fayola schüttelte die Nüsse und warf sie in die Luft.
»
Okana
!«, rief sie, als die Nüsse gefallen waren. »Nein, du
wirst nicht sterben.«
    Jacquotte spürte, dass sie die Luft angehalten hatte und
atmete aus. »Werden wir bei dem Überfall Erfolg haben?«,
wollte sie wissen.
    Fayola warf die Nüsse erneut. »
Ejife
! Das bedeutet:
Sicher.«
    »Dann will ich jetzt wissen, ob ich von der Bruderschaft
als Frau anerkannt werde, um in ihrem Namen zu kämpfen.«
    Fayola hielt inne. »Aber du bist als Mann verkleidet.«
    »Das bin ich«, gab Jacquotte ihr recht. »Aber ich bin nun
gleichfalls ein Bruder der Küste. Ich will mir einen Namen
machen, um den Männern nach einiger Zeit zu beweisen, dass
eine Frau ebenso würdig ist, der Bruderschaft beizutreten.
Das ist mein Plan.« Sie stand auf und verschränkte die Arme
vor der Brust. Fayola sah sie lange an.
    »Wirf«, forderte Jacquotte ungeduldig.
    Fayola senkte den Blick. Mit leisem Klacken rollten die
Nüsse über den gestampften Boden.
    »
Oyeku
«, flüsterte sie. »Das heißt Nein!«

Kapitel 5
    Küste von Puerta de Plata, La Española, Frühling 1659
     
    Die Nacht umhüllte die vier Schiffe wie eine schützende
Decke. Der Mond stand als schmale Sichel am Firmament und
die Sterne glitzerten schwach. Bereits vor Stunden waren die
Hecklaternen gelöscht worden. In der Dunkelheit vernahm
Jacquotte das Schaukeln des Schiffes überdeutlich und sie
schwindelte. Heftig atmend krallte sie sich in das feuchte
Holz der Reling. Das Ufer war nicht erkennbar, obwohl die
Geräusche der nachtaktiven Tiere deutlich durch das Rauschen
der brechenden Wellen drangen.
    »Heute ist Palmsonntag«, sagte eine gedämpfte Stimme neben
ihr. Sie zuckte zusammen. Tête-de-Mort! Er kam ihr wie ein
Tier der Finsternis vor, tauchte er meist unverhofft und
völlig geräuschlos auf. In diesem Moment war sie
erleichtert, dass er neben ihr stand. Seine Anwesenheit
lenkte sie von ihrem revoltierenden Magen ab, der sie
quälte, seit sie Port de Margot verlassen hatten.
    »Was heißt das?«, fragte sie.
    »Es ist der Sonntag vor Ostern. Am Palmsonntag zog Jesus
Christus in Jerusalem ein.«
    Jacquotte verstand nicht. Sie hatte niemals von Jesus noch
von Jerusalem oder Ostern gehört. Weil sie nicht wollte,
dass Tête-de-Mort sie für dumm hielt, erwiderte sie: »Wir
werden in den nächsten Tagen in San Jago einziehen.«
    Sie freute sich auf den bevorstehenden Kampf. Mehr
ersehnte sie jedoch, wieder an Land zu gehen, um ihren
flauen Körper ins Gleichgewicht und die zehrende
Feuchtigkeit aus ihrer Kleidung zu bekommen.
    Ein leises Kichern erhob sich in die Luft. »Der große
Kämpfer kennt Jesus nich‘«, scherzte Jan, der ebenso
unbemerkt wie Tête-de-Mort an sie heran getreten war.
    »
Tais-toi
«, murrte Jacquotte. Musste er darauf
herumhacken?
    »Jesus war auch ein Kämpfer«, erwiderte Tête-de-Mort.
»Allerdings waren seine Waffen einzig die Worte, die er
seinen Feinden entgegen setzte.«
    »Er hatte keine Machete oder eine andere Waffe?« Sie
konnte es nicht glauben.
    Tête-de-Mort und Jan lachten verhalten.
    »Nein, aber er konnte über das Wasser laufen. Oder Blinde
heilen. Ganz so, wie es ihm beliebte«, erklärte Jan vorlaut.
    »Kein Mensch kann das«, protestierte Jacquotte. »Das ist
Unsinn!«
    »Doch, Jesus schon! Er is‘ der Sohn Gottes!«
    »Welches Gottes?« Sie überlegte. Hatte Pierre ihr nicht
von mehreren Göttern erzählt?
    »Halt ein, Jan!« Tête-de-Mort unterbrach ihren Streit.
»Darüber zanken sich bereits ganze Nationen. Als Brüder der
Küste glauben wir an uns selbst, und das soll genug sein.«
    »Aye«, gab Jan augenblicklich nach, und Jacquotte war
erleichtert. Sie neigte ihren Kopf in die Richtung, in der
sie Tête-de-Mort vermutete, und hatte das unheimliche
Gefühl, dass er sie ansah, während ihre Augen blind waren.
    »Das Unwohlsein vergeht mit der Zeit«, murmelte er. Sein
Atem streifte ihr Gesicht und sie erschauerte. Er stand
näher bei ihr, als sie vermutet hatte. Sie roch das warme
Leder seines Hutes, die salzigen Ausdünstungen von Schweiß
und etwas, das sie nicht einzuordnen vermochte. Es war

Weitere Kostenlose Bücher