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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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man einvernehmlich von den anderen.
    »Dann lasst uns die Brüder sammeln und aufbrechen. Es sind
noch etwa vier Stunden bis Tagesanbruch und die sollten wir
nutzen!« De l’Isle ging davon, und Jacquotte versuchte, sich
im Dickicht zu verbergen.
    »Du brauchst deine Ohren nicht mehr lang zu machen, Yanis,
die Versammlung ist vorüber«, raunte ihr Tête-de-Mort im
Vorübergehen zu. Sie zog ärgerlich die Stirn kraus. Diesem
Mann entging nichts. Er musste die Sinne einer Eule haben,
mit denen er selbst des Nachts seinen Weg fand. Sie ging ihm
nach, nicht jedoch ohne sich vorher zu vergewissern, dass
Bigford in eine andere Richtung lief.
    Kurze Zeit später brachen sie auf. De l’Isle und Lescouble
bildeten die Vorhut, Bigford trieb die Männer in der Mitte
an, Tête-de-Mort folgte als Nachhut und gab Acht, dass
niemand zurückblieb oder sich unerwünschte Verfolger an ihre
Fersen hefteten.
    Als sie endlich die Sumpfpflanzen hinter sich ließen, die
Jacquotte wegen des Fiebers fürchtete, das man sich dort
holen konnte, begann sie den Marsch durch den dichten Wald
zu genießen. Mit der Dämmerung erkannte sie, dass dieser
Teil von La Española nicht so hügelig wie die Westküste war
und die Vegetation hauptsächlich von hohen Palmen geprägt
wurde, unter denen dichtes Gestrüpp wuchs, das der Stoßtrupp
kappte, um das Vorankommen der Männer zu erleichtern. Sie
füllte ihre Lungen mit der schweren Luft und lauschte
verzückt den Stimmen der Tiere, die immer lauter wurden, je
mehr Licht durch das Blätterdach drang. Dicke Lianen wanden
sich um die knorrigen Stämme und waren kaum von den braunen
Schlangen zu unterscheiden, die sich zwischen ihnen tarnten
und auf Beute lauerten. Jacquotte kannte sie von Tierra
Grande. Mit wachsamem Blick verfolgte sie die witternden
Bewegungen ihrer Zungen und sorgte dafür, dass ihnen niemand
zu nahe kam. Denn obwohl sie ihre Beute zu Tode würgten,
waren ihre Bisse nicht zu unterschätzen. Niemand wusste
besser als sie, welche Gefahren auf der Insel lauerten.
    »Gebt auf diese Pflanze Acht«, ließ sie die Brüder in
ihrer Umgebung wissen. »Das ist ein Manzanillabaum. Brecht
keine Zweige ab, denn er ist sehr giftig und lässt eure Haut
Blasen schlagen.«
    »Was ist mit dem hier?«
    »Keine Sorge, das ist ein Icacos. Die Früchte schmecken
sehr gut.« Jacquotte pflückte ein paar und schob sie sich
demonstrativ in den Mund. Die Männer taten es ihr gleich.
    »Was ist das für ein Tier, Yanis?« Die Männer zeigten auf
ein hellbraunes Geschöpf mit lang gestrecktem Kopf und
winzigen Knopfaugen, das eilends Schutz in einem
verwitterten Baumstumpf suchte.
    »Ein Nasenrüssler. Seid vorsichtig! Wenn er euch beißt,
schwellt ihr an. Ich habe ihn einst einen Welpen töten
sehen, der mit ihm gespielt hat.«
    »Du machst einen deiner Scherze, Yanis.«
    Jacquotte lachte fröhlich. »Nein, ich schwöre es euch.«
Sie genoss das Geplänkel mit den Männern. Nicht mehr seit
ihrer Kindheit hatte sie sich derart ungezwungen geben
können. Ihr Wissen über die Pflanzen und Tiere machte sie zu
einem geschätzten Mitglied der Gruppe, und Jacquotte gab
bereitwillig Auskunft.
    »Ist es nicht seltsam«, fragte Tête-de-Mort aus einiger
Entfernung, „dass ein solch unscheinbares Wesen andere
derartig zu täuschen vermag, dass sie es nahe genug an sich
heranlassen, um gebissen zu werden?« Seine Augen flackerten
kurz auf, als er an Jacquotte vorüberging.
    »Wer zu neugierig ist, muss damit rechnen, gebissen zu
werden«, rief sie ihm hinterher, und die Männer lachten.
    Nach einer weiteren Stunde, in der alle unter den
hungrigen
maringouins
zu leiden hatten, die besonders in den
Morgenstunden umherschwirrten, kam die Gruppe zum
Stillstand, um zu rasten. Auserwählte schwärmten aus, um
Nahrung zu besorgen, und Jacquotte zeigte den Männern
essbare Früchte, bevor sie sich abseits an einem Baum
niederließ, um zu ruhen. Fast wäre sie in der Wärme des
jungen Tages eingeschlafen, als ein Schatten ihre
Aufmerksamkeit forderte.
    »Wie ich hörte, seid Ihr bewandert in der Welt der
Pflanzen, Yanis Le Jouteur«, vernahm sie Bigfords Stimme.
    Jacquotte tastete nach ihrer Machete und öffnete die
Augen. Ihr Puls verselbstständigte sich.
    »Wie ich hörte, seid Ihr der Engländer, der einem
Landsmann sein Schiff unter scheinheiligen Versprechungen
abgenommen hat und sich nun Kapitän schimpft.« Sie blieb am
Boden liegen und machte keine

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