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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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Anstalten aufzustehen. Bigford
schenkte ihr einen herablassenden Blick.
    »Ihr habt die gleiche spitze Zunge wie jemand, den ich
kenne«, bemerkte er und sondierte die Umgebung.
    »Bei Eurem Ehrgeiz kennt ihr zweifellos viele Menschen,
die ihre spitze Zunge gegen Euch einsetzen.« Sie beobachtete
ihn und fragte sich, was er vorhatte. Übertrieben entspannt
lehnte sich Bigford an den Baum, unter dem Jacquotte ihr
Lager hatte. Seine helle Haut war in den letzten Tagen auf
See von der unbarmherzigen Sonne gebissen worden und ließ
ihn wie eine sich häutende Schlange aussehen.
    »Man sagte mir, ihr kommt aus den Wäldern von Tierra
Grande«, nahm er die Fährte auf. »Ich lebte dort selbst eine
Zeit lang, aber ein Yanis Le Jouteur ist mir niemals
untergekommen.«
    Jacquotte zuckte die Schultern. »Die Wälder sind groß«,
antwortete sie.
    »Aber mitnichten groß genug, um der Kunde von einem solch
mutigen Kämpfer zu entgehen, wie ich meine.« Er legte den
Kopf schief. »Kennt ihr einen Mann namens Jérôme?«
    »Verzeiht mir …« Jacquotte hielt kurz inne. »Bigford war
Euer Name? Nun, Bigford, Eure englische Abstammung mag Euch
vergessen lassen, dass es einige Männer an der Küste gibt,
die diesen französischen Namen tragen.«
    »Ich meine den Jérôme, der besonders unter den Flibustier
bekannt ist.«
    Sie starrte ihn an. Er spielte mit ihr und das machte sie
wütend.
    Bigford lächelte. »Wenn Ihr ihn nicht kennt, dann ist
meine Botschaft ohne Bedeutung. Doch ich hörte, dass er sich
zur Ruhe gesetzt hat. Zwar musste er sich erst des
eigentümlichen Jungen entledigen, der ihm zugelaufen war,
aber inzwischen soll er in Port de Paix darauf warten, dass
Jérémie Deschamps die Geschicke auf der Île de la Tortue
übernimmt, um sich dort anzusiedeln.«
    Jacquotte stockte der Atem und Bigford nickte bestätigend.
»Ich dachte mir, dass Euch das interessieren würde«,
flüsterte er.
    Am liebsten hätte sie ihre Machete gezückt und den
verhassten Engländer an Ort und Stelle umgebracht, aber sie
musste vorsichtig sein. Der Kodex band sie an die
Bruderschaft, und Bigfords Tod war es nicht wert, das eigene
Ende in Kauf zu nehmen. Sie zog ihre Hand vom Griff der
Waffe zurück.
    »Weshalb sagt Ihr nicht, was Euch auf Eurer hinterhältigen
Seele brennt?«, fragte sie aufgebracht.
    »Ihr seid ganz so, wie ich Euch in Erinnerung habe«,
erwiderte Bigford erfreut. »Aber seid unbesorgt, ich werde
Euer Geheimnis nicht ausplaudern. Wie Ihr wisst, sollen sich
Brüder zur Seite stehen. Ich gehe davon aus, dass wir eine
Übereinkunft finden werden.« Er trat einen Schritt zurück,
verbeugte sich übertrieben und schlenderte mit
siegessicherer Körperhaltung davon.
    Kaum war er außer Sichtweite, sprang Jacquotte auf und
machte ihrem Ärger Luft. In blinder Wut schlug sie so lange
gegen den vor ihr aufragenden Baumstamm ein, bis ihr die
Haut an den Fäusten aufplatzte. Erst, als der Schmerz ihren
Hass überlagerte und das Blut ihren Kummer wegspülte, hielt
sie inne. Tränen brannten in ihren Augen, aber sie blinzelte
sie fort. Manuel! Es durfte nicht sein! Jacquotte legte die
Stirn gegen das rissige Holz und atmete durch. Sie hatte
Jérôme vertraut! Wie konnte er so grausam sein? Der Stachel,
den sie im Herzen trug, seit sie Manuel zurückgelassen
hatte, machte sich heftiger als jemals zuvor bemerkbar. Sie
hatte ihn geopfert, um ihren Weg zu gehen. Pierre hatte
versucht, sie zu warnen, aber sie hatte seine Worte
selbstgefällig in den Wind geschlagen. Hilflos hieb sie
erneut auf den Stamm ein. Aber all die Schläge vermochten
die erdrückende Schuld nicht zu lindern, die sie wie ein
eiserner Kokon umhüllte.
    Verbittert stieß sie sich vom Baum ab und sammelte ihre
Waffen ein. Sie durfte nicht aufgeben! Sie würde den Brüdern
zeigen, was in ihr steckte und sich offenbaren, wenn es an
der Zeit war. Dann hatte auch Bigford endgültig kein
Druckmittel mehr gegen sie. Manuels Tod durfte nicht umsonst
gewesen sein. Entschlossen gesellte sie sich wieder zu den
übrigen Männern und vermied es, Tête-de-Morts Blick zu
begegnen. Sie glaubte, er könnte den Verrat sehen, den sie
an ihrem leiblichen Bruder begangen hatte und für den sie
sich so sehr schämte, dass sie kaum noch Luft bekam. Die
Wärme in ihrem Nacken verriet ihr jedoch, dass sie ihm nicht
entkommen konnte, und er sie bereits beobachtete.
    Am späten Nachmittag, nachdem die Männer ausgiebig geruht
hatten,

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