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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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erwartet.
    »Trotz deines viel gerühmten Schutzes wäre ich beinahe auf
die andere Seite gegangen«, entfuhr es ihr. »Ich habe dich
nicht darum gebeten, auf mich aufzupassen. Stirb unbesorgt,
ich werde meinen Weg auch ohne dich gehen!«
    Sie wollte die unbedachten Worte am liebsten in dem
Augenblick zurücknehmen, in dem sie sie aussprach.
Tête-de-Mort hatte ihr ein Stück seiner Vergangenheit
offenbart und ihr seinen Namen anvertraut. Oftmals wussten
nicht einmal Gefolgsbrüder die früheren Namen des jeweils
anderen. Was war nur mit ihr los?
    »Du wirst nicht sterben«, murrte sie versöhnlich, doch
seine abweisende Haltung blieb. Mit wenigen Schlucken leerte
er den Becher. Es war nicht der erste an diesem Tag, und
Jacquotte dämmerte, dass sie nicht die Einzige war, die ihre
Schmerzen im Alkohol ertränkte. Erschrocken über die
Erkenntnis griff sie nach seiner Hand.
    »Wie lange schon?«, fragte sie.
    »Es wird schlimmer.« Er entzog sich ihr nicht und
Jacquotte spürte die Hitze, die von ihm ausging.
    »Du wirst nicht sterben«, wiederholte sie und diesmal
klang es wie ein Befehl.
    Tête-de-Mort sprang auf die Beine, ihre Verbindung
zerriss. Unwillkürlich hob sie ihren Arm. Sie wollte nicht,
dass er ging. Aber obwohl sie gerade mehr miteinander
geteilt hatten, als Jacquotte jemals zuvor einem Menschen
anvertraut hatte, fehlten ihr die Worte, es ihm zu sagen. Er
wandte sich ab. Bevor er als Schatten über die dunkle Reling
entschwand, rief er ihr heiser zu: »Wenn es einen Grund
gibt, der mich davon abhält zu sterben, dann bist du es!«
    Als Jacquotte am nächsten Tag erwachte, fühlte sie ein
Pochen hinter den Schläfen. Ihre Augen waren verquollen, als
hätte sie Tränen vergossen, aber sie konnte sich an nichts
erinnern. Ächzend rollte sie aus der Sonne, die über der
Reling aufging, und spuckte aus. Ihre Zunge war pelzig, und
die Bewegung ihrer verspannten Glieder brachte die Wunden
dazu, heftig zu klopfen. Unbewusst stieß sie die leere
Buddel um, die neben ihr stand, und das Klirren rief ihr ins
Gedächtnis, dass sie getrunken hatte und vor allem, warum.
    »Hat dich Ambroise in die Finger bekommen?«, hörte sie
Jans Stimme.
    Sie schüttelte schwerfällig den Kopf. Er stellte einen
Holzkübel frischen Wassers neben ihr ab und ging in die
Knie. Unschlüssig kaute er auf seinen schwarzen
Fingernägeln.
    »Habt ihr euch gezankt?«, wollte er wissen.
    Jacquotte brummte und bedeutete ihm zu gehen, aber Jan
ließ nicht locker: »Es hat ihn getroffen, dass du verwundet
wurdest. Is‘ nicht mehr der Alte seitdem. Trinkt zu viel. `S
passt mir nicht, dass es ihm schlecht geht. Is` nicht gut
für die Mannschaft. Und nicht gut fürs Schiff. Denke, der
Kodex will genau das damit sagen, wenn er keine Frauen an
Bord duldet.«
    Sie setzte sich auf, und Jan schnellte augenblicklich
zurück auf die Beine.
    »Behalt deine weisen Sprüche für dich, du holländische
Sprotte, sonst machst du noch die restlichen Männer scheu!«
Sie blinzelte gegen die Sonne. »Seit wann hast du solche
Ideen?«
    Jan sah auf seine Füße. »Die Mannschaften der anderen
Schiffe reden nachts an den Feuern.«
    »Was reden sie?«
    »Dass eine Frau auf’m Schiff kein Glück bringt. Is‘ wie
ein Fluch. Soll einem Schiff den Untergang bringen.«
    Jacquotte schöpfte Wasser aus dem Eimer und klatschte es
sich ins Gesicht.
    »Welches Unglück habe ich herauf beschworen?«, wollte sie
wissen, doch ihr Freund schwieg und trat verlegen von einem
Bein aufs andere. »Rede gefälligst!«
    »Die Bruderschaft …«, begann er, aber sie wollte es nicht
hören.
    »Immer wieder die Bruderschaft«, fiel sie ihm ins Wort.
»Michel Le Basque ist die Bruderschaft! Er ist
verantwortlich für den Unfrieden. Sieh dich um, Jan, welches
Unglück habe ich über euch gebracht, seit ich auf der
Fortune Noire
bin?«
    Sie sprang auf. »Mangelt es euch an Nahrungsmitteln?« Sie
deutete auf die Männer am Strand, die damit beschäftigt
waren, die Unmengen an Schildkrötenpanzern zu knacken, die
sie während der Nacht gesammelt hatten.
    »Mangelt es euch an Achterstücken?« Sie fuhr in das
Säckchen an ihrer Hüfte und warf einige der Münzen in die
Luft.
    »Mangelt es euch an Alkohol?« Sie schleuderte die leere
Flasche über Bord. »Was ist es?«
    Jan starrte sie an. Dann grinste er und fuhr sich durch
die strubbligen Haare. »Nichts von alledem«, gab er zu.
»Trotzdem is‘ der Kapitän mehr damit

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