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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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dich am Strand stehen und aufs Meer blicken sah,
hattest du denselben ehrfürchtigen Ausdruck in deinem
Gesicht, den auch ich hatte, als ich mich einst den
Flibustier anschloss. Ich ahnte, dass du eine Frau bist, das
ist wahr«, erwiderte er nach einer Weile.
    »Ich war als Mann verkleidet!«
    »Es mag sein, dass du andere zu täuschen vermochtest. Die
meisten Brüder rechnen nicht damit, einer Frau außerhalb
eines Bordells zu begegnen. Das macht sie blind für
offensichtliche Attribute. Ich bin dir nicht aufgesessen.
Deine Bewegungen, deine Augen, deine glatten Wangen. Du
warst so sauber im Gegensatz zu meiner Mannschaft und allen
Schweinejägern, die mir je begegnet sind.«
    Sie starrten einander an, und Jacquotte stampfte mit dem
Fuß auf.
    »Was macht dich wütend?« Tête-de-Mort legte die Stirn in
Falten.
    »Die Tatsache, dass ich glaubte, mir meinen Platz auf der
Fortune Noire
gerecht erkämpft zu haben. Als einer von euch.
Aber nun muss ich feststellen, dass du von Anfang an deine
Klauen um mich gelegt und mich in deine Richtung geführt
hast!«
    »Dich zu führen ist unmöglich«, stellte er fest. »Außerdem
fürchtete ich, dass deine Verkleidung früher oder später
auffliegt.«
    »Mein Weg wäre ein anderer gewesen. Dein Schutz lastet wie
ein Fluch auf mir und bringt die Männer gegen mich auf«,
murrte sie.
    Tête-de-Mort schüttelte energisch den Kopf, als wolle er
ihr widersprechen, und seine Augen verengten sich. Sie
fühlte sich von ihm provoziert.
    »Ich habe meinen Bruder verlassen und ihm den Tod
beschert, um meine Freiheit zu finden. Ich bin es leid,
Schutz zu benötigen, um so zu leben, wie ich es für richtig
halte! Nur durch meine Worte war der Baske gezwungen, mich
gehen zu lassen. Ich kenne den Kodex. Deshalb verdiene ich
es, gleichberechtigt behandelt zu werden. Ich verdiene es,
Kapitän eines Schiffes zu sein!« Sie schrie ihn an, um den
Druck in ihrer Brust zu verringern, der sie bereits den
ganzen Tag quälte.
    »Was du ersehnst, ist unerheblich in dieser Welt, denn es
gibt Mächte, die über dir stehen. Begreif das endlich.« Er
ergriff ihre Schultern und sagte eindringlich: »Auch ich
verriet meinen Bruder. Es hat mir nicht das eingebracht, was
ich mir erhoffte. Ich habe dich nie gehalten. Was du als
Fluch verurteilst, war gut gemeint.«
    Sie stieß ihn von sich. »Das hilft mir nicht. Die Männer
reden längst.«
    »Es steht dir jederzeit frei zu gehen.« Er trat zurück.
    Jacquotte horchte auf. »Du würdest mich gehen lassen?«
    Seine grünen Augen waren kalt wie Stein. »Aye! Mir ist es
genug, als Tod über das Meer zu segeln. Dein Fluch will ich
nicht sein.«
    Sie beobachtete ihn misstrauisch, während in ihrem Inneren
widersprüchliche Gefühle miteinander kämpften. Die
Fortune
Noire
war ihr ans Herz gewachsen. Sie kannte jeden Winkel in
ihrem dicken Bauch, wusste, wo man seine Hängematte am
besten aufhängte, um bei schwerem Seegang nicht unnötig
herumgeworfen zu werden und konnte am Geräusch erkennen, ob
es Rah- oder Gaffelsegel waren, die beim Kreuzen im Wind
flatterten. Sie mochte die Männer an Bord, schätzte den
redseligen Levache ebenso wie den einfältigen Crochu oder
den groben Blair-Moche. Doch ganz besonders hing sie an Jan.
Und mehr noch an Tête-de-Mort. Sie hatte ihn verletzt, und
dieser Schmerz überlagerte selbst den ihrer Wunden, aber sie
erkannte auch, dass sie kurzsichtig gewesen war. Jan hatte
recht. Ihre Anwesenheit würde über kurz oder lang seinem
Ansehen schaden und es bestand die Gefahr, dass die
Mannschaft ihn absetzte. Wenn sie einen Funken Mut in sich
hatte, dann musste sie gehen. Es war die einzige
Möglichkeit, den Brüdern und dem Schiff ihren Kapitän
wiederzugeben und sich zu beweisen, dass sie stark genug
war, um alleine in der Welt der Bruderschaft
zurechtzukommen. Sie würde den Tod ziehen lassen und von
vorne beginnen.
    »Wenn wir das nächste Mal in Cayone einlaufen, werde ich
nach dem Landgang nicht wieder auf die
Fortune Noire
zurückkehren«, erklärte Jacquotte bestimmt und wartete auf
eine Reaktion. Tête-de-Mort zuckte kurz die Schultern.
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.
    »Abgemacht«, murmelte sie nach einer Weile und stapfte
davon. Sie spürte seinen Blick im Nacken, aber entgegen
ihrer Erwartung ließ er sie wortlos ziehen. Rasch
überlagerte Unsicherheit ihre spontane Entscheidung. Zu
deutlich hatte sie seine Verabschiedung von vergangener
Nacht im

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