Jonathan Strange & Mr. Norrell
ich mich um Rat wenden sollte. Sie sind die ersten Zaubererkollegen, die ich kennen lerne, und ich will Sie gleich warnen, dass ich vorhabe, Sie die halbe Nacht auszuhorchen.«
»Es ist uns eine große Freude, Ihnen auf jede nur erdenkliche Weise zu helfen«, sagte Mr. Segundus. »Aber ich bezweifle sehr, dass wir Ihnen von großem Nutzen sein werden. Wir sind ja nur theoretische Zauberer.«
»Sie sind viel zu bescheiden«, entgegnete Strange. »Bedenken Sie doch zum Beispiel, dass Sie viel mehr gelesen haben als ich.«
Mr. Segundus begann Autoren zu nennen, von denen Strange vielleicht noch nicht gehört hatte, und Strange notierte ihre Namen und Werke auf eine etwas willkürliche Art, manchmal schrieb er in ein kleines Merkheft, dann wieder auf die Rückseite der Essensrechnung und einmal auf den Handrücken. Dann begann er Mr. Segundus über die Bücher auszufragen.
Armer Mr. Honeyfoot! Wie sehr er sich danach sehnte, an diesem interessanten Gespräch teilzunehmen. Wie er in der Tat daran teilnahm und niemanden außer sich selbst mit einer kleinen List täuschte. »Sagen Sie ihm, dass er Die Sprache der Vögel von Thomas Lanchester lesen muss«, sagte er zu Mr. Segundus, nicht etwa zu Strange. »Ich weiß«, fuhr er fort, »dass Sie keine hohe Meinung davon haben, aber ich glaube, dass man von Lanchester viel lernen kann.«
Woraufhin ihnen Mr. Strange erzählte, er wisse mit Sicherheit, dass es vor ungefähr fünf Jahren noch vier Exemplare von Die Sprache der Vögel in England gegeben habe: eins bei einem Buchhändler in Gloucester; eins in der privaten Bibliothek eines Gentleman-Zauberers in Kendal; eins gehörte einem Schmied in der Nähe von Penzance, der es für die Reparatur eines eisernen Tors in Zahlung genommen hatte; und eins füllte einen Spalt im Fenster einer Knabenschule im Kirchhof der Kathedrale von Durham.
»Aber wo sind sie jetzt?«, rief Mr. Honeyfoot. »Warum haben Sie nicht ein Exemplar gekauft?«
»Jedes Mal, wenn ich an einen dieser Orte kam, war Norrell schon da gewesen und hatte das Buch gekauft«, sagte Mr. Strange. »Ich habe den Mann nie gesehen, und doch macht er mir beständig einen Strich durch die Rechnung. Deswegen bin ich auf die Idee verfallen, einen toten Zauberer herbeizuzitieren und ihm – oder ihr – Fragen zu stellen. Ich habe mir gedacht, dass eine Dame meiner misslichen Lage vielleicht mehr Mitgefühl entgegenbringt, und deswegen habe ich mich für Miss Absalom entschieden.« 45
Mr. Segundus schüttelte den Kopf. »Um Kenntnisse zu erwerben, ist das eine eher dramatische als praktische Möglichkeit. Gibt es keinen einfacheren Weg? Schließlich waren im Goldenen Zeitalter der englischen Zauberei Bücher rarer, als sie es jetzt sind, dennoch gab es Zauberer.«
»Ich habe die Geschichten und Biographien der Aureatischen Zauberer studiert, um herauszufinden, wie sie angefangen haben«, sagte Strange, »und mir scheint, dass jemand, der herausgefunden hatte, dass er sich zur Zauberei eignete, sich damals sofort auf den Weg zu einem älteren, erfahreneren Zauberer machte und als Schüler anbot.« 46
»Dann sollten Sie sich an Mr. Norrell wenden!«, rief Mr. Honeyfoot. »In der Tat, das sollten Sie. Ach ja, ich weiß« – er sah, dass Mr. Segundus Einwände erheben wollte –, »Norrell ist ein wenig zurückhaltend, aber was macht das schon? Mr. Strange wird wissen, wie er seine Schüchternheit überwinden kann, dessen bin ich sicher. Trotz seines schwierigen Naturells ist Norrell kein Dummkopf und wird einsehen, von welch großem Vorteil es wäre, so einen Gehilfen zu haben.«
Mr. Segundus hatte viele Einwände gegen diesen Plan, insbesondere Mr. Norrells große Aversion gegen andere Zauberer; aber kaum war Mr. Honeyfoot auf diese Idee verfallen, wurde sie zu seinem innigsten Wunsch, und er konnte sich nicht eingestehen, dass es Schwierigkeiten geben würde. »Ich stimme zu«, sagte er, »dass Norrell nie etwas für uns theoretische Zauberer übrig hatte. Aber ich nehme an, dass er jemanden, der auf der gleichen Stufe steht wie er, anders behandeln wird.«
Strange schien Gefallen an der Idee zu finden; er war neugierig auf Mr. Norrell. Ja, Mr. Segundus vermutete, dass er sich bereits entschlossen hatte, und deswegen ließ er sich allmählich seine Zweifel und Einwände ausreden.
»Das ist ein großer Tag für Großbritannien, Sir«, rief Mr. Honeyfoot. »Man bedenke nur, was ein Zauberer zu Stande gebracht hat. Und stelle sich vor, wozu zwei in der Lage sein
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