Jonathan Strange & Mr. Norrell
nicht ganz. Wie konnte man Sie dazu zwingen, Ihre Studien aufzugeben, wenn es nicht Ihren Wünschen entsprach?«
Daraufhin erzählten Mr. Segundus und Mr. Honeyfoot, dass sie Mitglieder der Gelehrten Gilde der Zauberer von York gewesen waren und Mr. Norrell die Gilde in den Untergang getrieben hatte.
Mr. Honeyfoot fragte Strange nach seiner Meinung zu Mr. Norrell.
»Ach«, sagte Strange und lächelte, »Mr. Norrell ist der Schutzpatron der englischen Buchhändler.«
»Sir?«, sagte Mr. Honeyfoot.
»Ach«, sagte Strange, »von Newcastle bis Penzance hört man an jedem Ort, wo Bücher gehandelt werden, von Mr. Norrell. Der Buchhändler lächelt, verbeugt sich und sagt: ›Sir, Sie kommen zu spät. Ich hatte eine große Zahl Bücher über zauberische und historische Themen. Aber ich habe sie alle an einen sehr gelehrten Herrn aus Yorkshire verkaufte Es ist immer Norrell. So man möchte, kann man die Bücher kaufen, die Norrell verschmäht hat. In der Regel finde ich, dass sich die Bücher, die Mr. Norrell nicht gekauft hat, hervorragend zum Feuermachen eignen.«
Selbstverständlich wollten Mr. Segundus und Mr. Honeyfoot Jonathan Strange unbedingt besser kennen lernen, und er schien genauso erpicht darauf, sich mit ihnen zu unterhalten. Nachdem sie die üblichen Fragen gestellt und beantwortet hatten (»Wo sind Sie abgestiegen?« – »Oh! Das George in Avebury.« – »Nun, das ist aber ein Zufall. Wir auch.«), beschlossen die vier Herren, gemeinsam nach Avebury zurückzureiten und zusammen zu essen.
Als sie das Schattenhaus verließen, blieb Strange neben der Rabenkönigtür stehen und erkundigte sich, ob Mr. Segundus oder Mr. Honeyfoot jemals in der alten Hauptstadt des Königs, Newcastle, im Norden Englands, gewesen seien. Keiner von beiden war dort gewesen. »Diese Tür ist die Nachahmung einer Tür, die man dort in jeder Ecke findet«, sagte Strange. »Die ersten dieser Art stammen aus der Zeit, als der König sich noch in England aufhielt. In dieser Stadt kommt es einem vor, als würde der König aus jedem dunklen, verstaubten Durchgang treten und sich einem nähern.« Strange lächelte gequält. »Aber sein Gesicht ist immer halb verborgen, und nie sagt er etwas.«
Um fünf Uhr setzten sie sich in das Speisezimmer des George Inn. Mr. Honeyfoot und Mr. Segundus empfanden Strange als überaus angenehmen Zeitgenossen, lebhaft und gesprächig. Henry Woodhope andererseits aß fleißig, und als er mit dem Essen fertig war, schaute er aus dem Fenster. Mr. Segundus befürchtete, dass er sich vernachlässigt fühlen könnte, wandte sich an ihn und beglückwünschte ihn zu der Zauberei, die Strange im Schattenhaus vollbracht hatte.
Henry Woodhope war überrascht. »Ich hätte nicht gedacht, dass es eine Angelegenheit für Glückwünsche ist«, sagte er. »Strange hat nicht gesagt, dass es etwas Besonderes wäre.«
»Aber, mein lieber Sir!«, rief Mr. Segundus. »Wer weiß, wann in England so etwas zum letzten Mal unternommen wurde?«
»Ach, ich weiß nichts über Zauberei. Ich glaube, sie ist große Mode – ich habe Berichte über Zauberei in den Londoner Zeitungen gesehen. Aber ein Pfarrer hat wenig Zeit zum Lesen. Und ich kenne Strange seit unserer Kindheit. Er hat einen höchst kapriziösen Charakter. Mich überrascht, dass dieser Hang zur Zauberei so lange anhält. Ich nehme an, dass er der Zauberei bald ebenso überdrüssig wird wie aller anderen Dinge zuvor.« Damit stand er vom Tisch auf und verkündete, dass er einen Spaziergang durchs Dorf machen wolle. Er entbot Mr. Honeyfoot und Mr. Segundus einen guten Abend und ging.
»Armer Henry«, sagte Strange, nachdem Mr. Woodhope gegangen war. »Ich glaube, wir langweilen ihn schrecklich.«
»Es ist sehr großmütig von Ihrem Freund, Sie auf Ihrer Reise zu begleiten, da er sich für ihren Zweck nicht interessiert«, sagte Mr. Honeyfoot.
»Ja, gewiss«, sagte Strange. »Aber andererseits wollte er unbedingt mitkommen, weil bei uns zu Hause nichts passiert. Henry besucht uns für ein paar Wochen, aber wir leben in einer sehr ruhigen Gegend, und ich bin vor allem mit meinen Studien beschäftigt.«
Mr. Segundus fragte Mr. Strange, wann er mit seinen Studien begonnen habe.
»Im Frühling letzten Jahres.«
»Aber Sie haben so viel erreicht!«, rief Mr. Honeyfoot. »Und das in nicht einmal zwei Jahren. Mein lieber Mr. Strange, das ist wirklich bemerkenswert.«
»Finden Sie? Mir scheint, als hätte ich fast nichts gelernt. Aber ich wusste auch nicht, an wen
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