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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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das Ansehen der englischen Zauberei stärken würde?«
    »Nun, gut möglich«, sagte Mr. Norrell verdrossen. »Aber nichts wird den Rabenkönig und andere gefährliche und Unheil bringende Arten der Zauberei so sehr heraufbeschwören wie der Anblick eines englischen Zauberers auf einem Schlachtfeld! Die Leute werden denken, wir erwecken Elfengeister und lassen uns von Eulen und Bären beraten. Ich hingegen erhoffe mir für die englische Zauberei, dass man in ihr einen stillen, achtbaren Berufsstand sieht – ja, die Art von Berufsstand ...«
    »Aber, Sir«, sagte Strange, hastig einen Vortrag unterbrechend, den er schon hundertmal gehört hatte. »Ich werde keine Elfenritter bei mir haben. Und es gibt noch andere Überlegungen – es wäre ganz falsch, sie außer Acht zu lassen. Sie und ich haben oft darüber geklagt, dass man uns immer wieder um denselben Zauber bittet. Der Krieg und seine Erfordernisse werden mich nun zwingen, Zauberei zu betreiben, wie ich sie noch nie betrieben habe – und wie wir beide schon häufig festgestellt haben, Sir: Die Praxis der Zauberei erleichtert das Verständnis der Theorie ungemein.«
    Doch die beiden Zauberer hatten ein zu unterschiedliches Temperament, um sich in diesem Punkt zu einigen. Strange sprach darüber, dass man der Gefahr trotzen müsse, um Ruhm für die englische Zauberei zu erlangen. Seine Sprache und seine Metaphern entstammten allesamt dem Glücksspiel und dem Krieg, und es war unwahrscheinlich, dass sie Mr. Norrells Gefallen finden würden. Mr. Norrell versicherte Mr. Strange, dass er Krieg äußerst unangenehm empfinden würde. »Auf dem Schlachtfeld ist man immer nass und friert. Es wird Ihnen sehr viel weniger gefallen, als Sie sich vorstellen.«
    Im Januar und Februar 1811 sah es einige Wochen lang so aus, als würde Mr. Norrells Widerstand Strange davon abhalten, in den Krieg zu ziehen. Der Fehler, den Sir Walter, Lord Liverpool, der Herzog von York und Strange begingen, war, dass sie alle an Mr. Norrells Großzügigkeit, seinen Patriotismus und sein Pflichtbewusstsein appellierten. Ohne Zweifel verfügte Mr. Norrell über diese Tugenden, doch es gab andere Prinzipien, die ihm wichtiger waren und die jeder höheren Erwägung immer widersprechen würden.
    Zum Glück waren zwei Herren zur Hand, die die Angelegenheiten besser zu regeln wussten. Lascelles und Drawlight waren genauso erpicht darauf wie alle anderen, dass Strange nach Portugal ginge, und die beste Methode, das zu erreichen, war ihrer Meinung nach, Mr. Norrells Angst um das Schicksal der Bibliothek des Herzogs von Roxburghe ins Spiel zu bringen.
    Diese Bibliothek war seit langem ein Stachel in Mr. Norrells Fleisch. Sie war eine der wichtigsten Privatbibliotheken im Königreich – vergleichbar einzig mit Mr. Norrells eigener. Sie hatte eine merkwürdige und rührende Geschichte. Etwa fünfzig Jahre zuvor hatte der Herzog von Roxburghe, ein überaus intelligenter, gebildeter und achtbarer Gentleman, es gewagt, sich in die Schwester der Königin zu verlieben, und den König um Erlaubnis gebeten, sie heiraten zu dürfen. Aus verschiedenen Gründen, die mit Etikette bei Hof, Sitte und Rangfolge zu tun hatten, hatte der König die Erlaubnis verweigert. Dem Herzog und der Schwester der Königin brach es fast das Herz, und sie gaben sich das feierliche Versprechen, einander ewig zu lieben und niemals und unter keinen Umständen jemand anderen zu heiraten. Ob die Schwester der Königin ihrerseits das Versprechen hielt, weiß ich nicht, der Herzog jedoch zog sich auf sein Schloss im Südosten Schottlands zurück und begann, wertvolle Bücher zu sammeln, um sich die einsamen Tage zu vertreiben: erlesene illuminierte Handschriften aus dem Mittelalter und Ausgaben der ersten gedruckten Bücher, die aus den Werkstätten von Genies wie William Caxton in London oder Valdarfer in Venedig stammten. Zu Anfang dieses Jahrhunderts galt die Bibliothek des Herzogs als Weltwunder. Seine Durchlaucht liebte Lyrik, das Rittertum, Geschichte und Theologie. Für Zauberei interessierte er sich nicht besonders, aber alte Bücher begeisterten ihn, und es wäre sehr erstaunlich, wenn nicht ein oder zwei Zauberbücher den Weg in seine Bibliothek gefunden hätten.
    Mr. Norrell hatte mehrmals an den Herzog geschrieben und ihn um Erlaubnis gebeten, Zauberbücher aus dem herzoglichen Besitz einzusehen und möglicherweise erwerben zu dürfen. Der Herzog hingegen verspürte nicht die geringste Lust, Mr. Norrells Neugier zu befriedigen,

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