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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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über die Bücher gesprochen, Sir, die ich mit auf die Halbinsel nehmen soll. Ich habe eine Liste mit vierzig Titeln angefertigt, aber wenn Sie der Meinung sind, man sollte sie noch ausweiten, so bin ich dankbar für Ihren Rat.« Er zog ein zusammengefaltetes Papier aus einem Stapel auf dem Tisch und überreichte es Mr. Norrell.
    Die Liste war nicht dazu angetan, Mr. Norrells Herz zu erfreuen. Sie bestand zu großen Teilen aus ersten Ideen, die durchgestrichen waren, aus zweiten Ideen, die durchgestrichen waren, und aus dritten Ideen, die in die Ecken gezwängt waren und sich um im Wege stehende Wörter wanden. Sie war voller Tintenflecke, falsch geschriebener Titel, falsch buchstabierter Autorennamen und war, um die Verwirrung komplett zu machen, mit drei Zeilen eines gedichteten Rätsels versehen, das sich Strange gerade als Abschiedsgeschenk für Arabella ausdachte. Dennoch: Das alles war es nicht, was Mr. Norrell erblassen ließ. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass Strange in Portugal Bücher brauchen würde. Die Vorstellung, vierzig wertvolle Bände in ein Land zu bringen, das sich im Kriegszustand befand und wo sie in Brand gesetzt, in die Luft gejagt, unter Wasser geraten oder in Staub gewälzt werden könnten, war zu schrecklich, um darüber nachzudenken. Mr. Norrell wusste nicht viel vom Krieg, aber er ging davon aus, dass Soldaten im Allgemeinen keinen großen Respekt vor Büchern hatten. Vielleicht würden sie sie mit ihren schmutzigen Fingern anfassen. Vielleicht würden sie sie zerreißen! Vielleicht würden sie sie – im schlimmsten aller Fälle! – lesen und die Sprüche ausprobieren! Konnten Soldaten lesen? Mr. Norrell wusste es nicht. Aber solange das Schicksal des ganzen Kontinents auf dem Spiel und Lord Liverpool im Raum standen, war es, so viel stand fest, schwierig – um nicht zu sagen unmöglich –, das Ausleihen der Bücher zu verweigern.
    Er wandte sich mit einem verzweifelt flehenden Gesichtsausdruck an Childermass.
    Childermass zuckte die Achseln.
    Lord Liverpool starrte ihn weiterhin schweigend an. Er schien darüber nachzudenken, dass die zeitlich begrenzte Entnahme von etwa vierzig Büchern unter so vielen Tausenden kaum auffallen würde.
    »Ich würde nicht gern mehr als vierzig mitnehmen«, fuhr Strange in sachlichem Tonfall fort.
    »Sehr vernünftig, Sir«, sagte Lord Liverpool. »Sehr vernünftig. Nehmen Sie nicht mehr mit, als Sie bequem tragen können.«
    »Tragen?«, rief Mr. Norrell entsetzter als je zuvor aus. »Aber Sie haben doch sicherlich nicht die Absicht, die Bücher von einem Ort zum nächsten zu tragen? Sobald Sie ankommen, müssen Sie sie in eine Bibliothek bringen. Am besten in eine Bibliothek auf einer Burg. Eine feste, gut bewehrte Burg ...«
    »Ich fürchte, in einer Bibliothek werden sie mir nicht viel nützen«, sagte Strange mit ruhiger Stimme, in die sich langsam Zorn einschlich. »Ich werde mich in Lagern und auf Schlachtfeldern aufhalten. Und die Bücher auch.«
    »Dann müssen Sie sie in eine Kiste stecken!«, sagte Mr. Norrell. »Eine ganz feste Holzkiste oder vielleicht eine Eisentruhe. Ja, Eisen ist am besten. Wir können eine anfertigen lassen. Und dann...«
    »Ahm, Verzeihung, Mr. Norrell«, unterbrach Lord Liverpool, »aber ich muss Mr. Strange ganz entschieden von der Eisentruhe abraten. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass ihm Karren zur Verfügung stehen. Die Soldaten brauchen die Karren für ihre Ausrüstung, Landkarten, Nahrung, Munition und so weiter. Mr. Strange wird der Armee die geringsten Unannehmlichkeiten bereiten, wenn er, wie die Offiziere, seinen gesamten Besitz auf einem Esel oder einem Maultier transportiert.« Er wandte sich an Strange. »Sie werden ein gutes, starkes Maultier für Ihr Gepäck und Ihren Diener brauchen. Kaufen Sie ein Paar Satteltaschen bei Hewley und Ratt's und stecken Sie die Bücher dort hinein. Armeetaschen sind sehr geräumig. Außerdem würde man die Bücher auf einem Karren mit Sicherheit stehlen. Ich sage es nur ungern, aber Soldaten stehlen alles.« Er dachte einen Augenblick lang nach und fügte dann hinzu: »Auf jeden Fall die unsrigen.«
    Vom Verlauf des darauf folgenden Abendessens bekam Mr. Norrell nicht viel mit. Er nahm vage zur Kenntnis, dass Strange und Seine Lordschaft viel redeten und viel lachten. Mehrmals hörte er, wie Strange sagte: »Also gut, abgemacht!« Und er hörte, wie Seine Lordschaft antwortete: »Aber sicher!« Doch worüber sie sprachen, wusste Mr. Norrell nicht, noch

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