Jonathan Strange & Mr. Norrell
seine besten Empfehlungen an Mr. Norrell und Mr. Strange, mit der inständigen Bitte, Kapitän Gilbey zu begleiten, um zu sehen, ob sie etwas tun konnten.
Vor dem Crown stand ein kleiner Einspänner; ein Dienstbote des Hotels stand am Kopf des Pferdes. Strange und Kapitän Gilbey stiegen ein, und Kapitän Gilbey fuhr sie eilig durch die Stadt. In der Stadt begann sich Eile und Unruhe breit zu machen. Fenster wurden geöffnet; Köpfe mit Schlafmützen wurden hinausgestreckt und riefen Fragen hinunter; Leute auf der Straße riefen Antworten zurück. Eine große Menschenmenge eilte, wie es schien, in die gleiche Richtung wie Kapitän Gilbeys Kutsche.
Als sie die Stadtmauern erreichten, hielt Kapitän Gilbey an. Die Luft war kalt und feucht, und vom Meer her blies eine frische Brise. Etwas weiter draußen lag ein riesiges Schiff auf der Seite; die Segel hingen nutzlos im bleigrauen Wasser. Ganz klein und schwarz und weit entfernt konnte man Matrosen erkennen, die sich an der Reling festklammerten und auf der Seite des Schiffes hinabkletterten. Etwa ein Dutzend Ruderboote und kleine Segelschiffe hatten sich um das große Schiff versammelt.
In Stranges in nautischen Angelegenheiten unerfahrenen Augen sah es ganz so aus, als habe sich das Schiff einfach hingelegt und sei eingeschlafen. Wäre er der Kapitän, so fand er, dann würde er es mit strenger Stimme ermahnen, aufzustehen.
»Was machen denn die kleinen Boote?«, fragte er Kapitän Gilbey.
»Sie bringen die Vorräte und die Kanonen weg.«
»Und warum tun sie das?«
»Um das Schiff leichter zu machen. Wenn es leicht genug wird, dann richtet es sich in der Flut vielleicht von selbst wieder auf und kommt von der Bank runter.«
»Verstehe. Sicherlich laufen täglich Dutzende von Schiffen in Portsmouth ein und aus Portsmouth aus. Wie konnte so etwas passieren?«
Kapitän Gilbey zuckte die Schultern. »Ich fürchte, es ist nicht so ungewöhnlich, wie Sie denken. Vielleicht kannte sich der Steuermann mit den Fahrwassern in Spithead nicht aus, oder er war betrunken.«
Eine große Menschenmenge versammelte sich. In Portsmouth hat jeder Bewohner irgendwie mit dem Meer und Schiffen zu tun und daher auch ein eigenes Interesse an der Sache. Die täglichen Gespräche dort drehen sich um die ein- und auslaufenden Schiffe und um die Schiffe, die in Spithead vor Anker liegen. Ein Ereignis wie dieses betraf fast alle. Es zog nicht nur die üblichen Müßiggänger an (von denen es genügend gab), sondern auch solide Bürger und Kaufleute und natürlich jeden Gentleman, der mit den Schiffen zu tun hatte und die Muße besaß, sich die Sache anzusehen. Schon war ein heftiger Streit darüber im Gange, was der Steuermann falsch gemacht hatte und wie der Kapitän es wieder in Ordnung bringen konnte. Sobald die Menge verstand, wer Strange war und warum er hier war, beglückten die Umstehenden ihn mit ihren zahlreichen Meinungen. Leider wurden dabei zahlreiche nautische Fachausdrücke verwandt, und Strange hatte bestenfalls eine vage Vorstellung, was die Leute meinten. Nach einer Erklärung beging er den Fehler, sich nach der Bedeutung von »abfallen« und »beidrehen« zu erkundigen; es folgte eine überaus verwirrende Erklärung der Schifffahrtstechnik, was dazu führte, dass er am Ende noch weniger verstand als zu Beginn.
»Nun!«, sagte er. »Das Hauptproblem ist sicherlich, dass das Schiff auf der Seite liegt. Soll ich es aufrichten? Das ließe sich ziemlich einfach erledigen.«
»Um Gottes willen! Nein!«, rief Kapitän Gilbey aus. »Das geht auf keinen Fall! Der Boden würde mit ziemlich großer Sicherheit ein Leck davontragen. Wasser würde eindringen, und alle würden ertrinken.«
»Oh!«, sagte Strange.
Seinem nächsten Hilfsangebot erging es noch schlimmer. Jemand hatte darüber gesprochen, dass eine frische Brise das Schiff während der Flut von der Sandbank treiben könnte; dies brachte ihn auf die Idee, ein kräftiger Wind würde womöglich helfen. Er hob die Hände, um ihn herbeizuzaubern.
»Was machen Sie?«, fragte Kapitän Gilbey.
Strange sagte es ihm.
»Nein! Nein! Nein!«, rief der Kapitän entsetzt.
Mehrere Leute hielten Strange fest. Ein Mann begann ihn heftig zu schütteln, als glaubte er, er könnte den Zauber auf diese Art bannen, bevor er seine Wirkung entfaltete.
»Der Wind bläst von Südwest«, erklärte Kapitän Gilbey. »Wenn er stärker wird, zerschlagen die Wellen das Schiff auf der Sandbank, und es wird mit ziemlicher Sicherheit auseinander
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