Jonathan Strange & Mr. Norrell
Stirn. »Ich weiß nicht. Nicht, dass ich Mühsal und Unbequemlichkeit scheue. Ich glaube, ich halte in dieser Hinsicht genauso viel aus wie die meisten Männer. Aber ich kenne dort niemanden. Seit ich hier bin, scheine ich allen dauernd nur im Weg zu sein, und jetzt ohne Freunde nach...«
»Ach, das lässt sich leicht lösen. Wir sind hier nicht in London oder Bath, wo man Empfehlungsschreiben benötigt. Bringen Sie ein kleines Fass Branntwein mit – und eine oder zwei Kisten Champagner, falls Ihr Diener sie tragen kann. Sie werden bald zahlreiche Bekannte unter den Offizieren finden, wenn Sie Branntwein und Champagner anbieten können.«
»Wirklich? Ist es so einfach?«
»Aber gewiss. Und machen Sie sich nicht die Mühe, Rotwein mitzubringen. Davon haben sie schon jede Menge.«
Ein paar Tage später verließen Strange und Jeremy Johns Lissabon und steuerten das Land jenseits der Linien an. Die britischen Offiziere und Männer waren etwas überrascht, einen Zauberer in ihrer Mitte zu finden. Sie schrieben Briefe an ihre Freunde zu Hause, in denen sie ihn auf verschiedene unschmeichelhafte Arten beschrieben und sich fragten, was um alles in der Welt er bei ihnen wollte. Doch Strange tat, wie Mr. Briscall ihm geraten hatte. Jeder Offizier, den er kennen lernte, wurde eingeladen, nach dem Abendessen mit ihm Champagner zu trinken. Bald schon sahen sie ihm die Exzentrizität seines Berufsstands nach. Wichtig war, dass man in Stranges Biwak immer fröhliche Burschen traf und etwas Anständiges zu trinken bekam.
Strange begann auch zu rauchen. Früher wäre ihm das nie in den Sinn gekommen, doch er merkte, dass ein greifbarer Tabakvorrat von unschätzbarem Wert war, um die Soldaten in eine Unterhaltung zu verwickeln.
Es war ein seltsames Leben und eine unheimliche Landschaft. Sämtliche Bewohner hatten ihre Dörfer jenseits der Linien auf Anweisung Lord Wellingtons verlassen, und die Ernte war verbrannt worden. Die Soldaten beider Armeen stiegen zu den leeren Dörfern hinab und nahmen mit, was ihnen nützlich erschien. Nicht selten stieß man auf der britischen Seite auf Sofas, Schränke, Betten, Stühle und Tische, die an einem Hang oder auf einer Waldlichtung herumstanden. Gelegentlich fand man ganze Schlafzimmereinrichtungen oder Salonausstattungen, einschließlich Rasierzeug, Büchern und Lampen, aber ohne Wände und Zimmerdecken.
Doch wenn die britische Armee unter dem Unbill von Wind und Regen litt, dann war die Mühsal der Franzosen noch weitaus schlimmer. Ihre Kleidung war zerfetzt, und sie hatten nichts zu essen. Seit letztem Oktober starrten sie auf Wellingtons Linien. Sie konnten die britische Armee nicht angreifen – denn sie verfügte über drei Linien aus uneinnehmbaren Festungen, hinter die sie sich sofort zurückziehen konnte. Und Lord Wellington machte sich seinerseits nicht die Mühe, die Franzosen anzugreifen. Warum sollte er, wenn Hunger und Krankheit seine Feinde schneller umbrachten, als er es könnte? Am 5. März brachen die Franzosen ihre Lager ab und kehrten um in Richtung Norden. Binnen weniger Stunden nahmen Lord Wellington und die britische Armee die Verfolgung auf. Jonathan Strange ging mit.
An einem verregneten Morgen in der Monatsmitte ritt Strange am Rand der Straße, auf der das 95. Infanterieregiment marschierte. Zufällig entdeckte er ein wenig weiter vorn ein paar Freunde. Er trieb sein Pferd zum Galopp an und schloss bald zu ihnen auf.
»Guten Morgen, Ned«, sagte er zu einem Mann, den er aus mehreren Gründen für nachdenklich und vernünftig hielt.
»Guten Morgen, Sir«, sagte Ned erfreut.
»Ned?«
»Ja, Sir?«
»Gibt es etwas, was du dir dringend wünschst? Ich weiß, es ist eine seltsame Frage, Ned, und bitte verzeih, dass ich sie dir stelle. Aber ich muss es wirklich wissen.«
Ned antwortete nicht sofort. Er atmete tief ein, runzelte die Stirn und legte weitere Anzeichen tiefen Nachdenkens an den Tag. Währenddessen erzählten seine Kameraden Strange bereitwillig, was sie sich dringend wünschten – solche Dinge wie verzauberte Goldtöpfe, die nie leer wurden, und Häuser, die aus einem einzigen Diamanten bestanden. Einer von ihnen, ein Waliser, sang mehrmals mit klagender Stimme: »Überbackener Käse! Überbackener Käse!« – was die anderen zu lautem Lachen veranlasste, da die Waliser von Haus aus einen Sinn für Humor besaßen.
Unterdessen war Ned mit dem Grübeln fertig. »Neue Stiefel«, sagte er.
»Wirklich?«, sagte Strange überrascht.
»Ja, Sir«,
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