Jonathan Strange & Mr. Norrell
wirklich schlimm.
Er verbrachte die Nacht – ziemlich ungemütlich – im Gasthaus von Pero Negro, und sobald es hell wurde, ritt er nach Lissabon zurück. Als er im Hotel in der Schuhmacher-Straße ankam, setzte er sich hin und schrieb einen langen Brief an Arabella, in dem er ihr genauestens schilderte, auf welch empörende Art er behandelt worden war. Danach fühlte er sich etwas besser und beschloss, dass es unmännlich war, sich zu beschweren, also zerriss er den Brief.
Als Nächstes stellte er eine Liste mit all den Zaubereien zusammen, die er und Norrell für die Admiralität betrieben hatten, und versuchte sich zu entscheiden, welche davon Lord Wellington am ehesten zusagen würde. Nach sorgfältiger Betrachtung fand er, dass man das Elend der französischen Armee am besten steigern konnte, indem man ihnen Gewitterstürme und heftige Regengüsse schickte. Umgehend beschloss er, Seiner Lordschaft einen Brief zu schreiben, in dem er diesen Zauber anbot. Entschiedenes Handeln hebt immer die Stimmung, und Stranges Laune stieg sofort – bis er zufällig aus dem Fenster sah. Der Himmel war schwarz, es regnete in Strömen, und ein starker Wind blies. Es sah ganz danach aus, als gäbe es bald ein Gewitter. Er machte sich auf die Suche nach Mr. Prideaux. Prideaux bestätigte, dass es seit Wochen stark regnete und die Portugiesen der Meinung seien, das schlechte Wetter würde noch eine Weile anhalten, und, ja, die Franzosen seien in der Tat äußerst unglücklich darüber.
Strange grübelte ein wenig darüber nach. Er war versucht, Lord Wellington eine Notiz zu schicken, in der er ihm anbot, den Regen aufhören zu lassen, da er für die britischen Soldaten ebenfalls nicht besonders angenehm war – doch am Ende beschloss er, dass der Bereich Wetter und Zauber zu vertrackt war, solange er den Krieg und Lord Wellington nicht richtig verstand. In der Zwischenzeit entschied er sich dafür, den Franzosen Frösche auf den Kopf fallen zu lassen. Es war eine hochbiblische Plage, und was, meinte Strange, könnte ehrenwerter sein?
Am nächsten Morgen saß er mit düsterem Blick in seinem Hotelzimmer und tat so, als lese er eines von Norrells Büchern, doch in Wirklichkeit schaute er in den Regen, als es an der Tür klopfte. Es war ein schottischer Offizier in Husarenuniform, der Strange fragend ansah und sagte: »Mr. Norrell?«
»Ich bin nicht... Ach was! Was kann ich für Sie tun?«
»Nachricht aus dem Hauptquartier für Sie, Mr. Norrell.« Der junge Offizier hielt Strange ein Papier hin.
Es war sein Brief an Wellington. Jemand hatte mit dickem blauem Stift ein einziges Wort darüber geschrieben. »Abgelehnt.«
»Wessen Schrift ist das?«, fragte Strange.
»Die von Lord Wellington, Mr. Norrell.«
»Aha.«
Am nächsten Tag schrieb Strange eine weitere Notiz an Wellington, in der er anbot, den Tejo so stark anschwellen zu lassen, bis er die Lager der Franzosen überflutete. Dies entlockte Wellington zumindest eine etwas längere Antwort, in der er erklärte, dass die gesamte britische Armee und der größte Teil der portugiesischen Armee momentan zwischen dem Tejo und den Franzosen standen und Mr. Stranges Vorschlag folglich alles andere als passend sei.
Strange ließ sich nicht abschrecken. Er schickte Wellington weiterhin einen Vorschlag pro Tag. Keiner wurde angenommen.
An einem besonders düsteren Abend Ende Februar ging er auf seinem Weg zu einem einsamen Nachtmahl durch den Flur in Mr. Prideaux' Hotel und stieß beinahe mit einem munteren jungen Mann zusammen, der englische Kleidung trug. Der Mann bat um Verzeihung und fragte, ob er wisse, wo Mr. Strange zu finden sei.
»Ich bin Strange. Wer sind Sie?«
»Ich heiße Briscall. Ich bin Kaplan im Hauptquartier.«
»Mr. Briscall. Ja. Natürlich.«
»Lord Wellington bat mich, Sie aufzusuchen«, erklärte Mr. Briscall. »Er sprach davon, dass Sie mich mit Zauberei unterstützen würden.« Mr. Briscall lächelte. »Aber ich glaube, in Wirklichkeit hofft er, ich könnte Sie davon abbringen, ihm jeden Tag zu schreiben.«
»Oh!«, sagte Strange. »Ich werde nicht aufhören, bis er mir etwas zu tun gibt.«
Mr. Briscall lachte. »Also gut, das werde ich ihm ausrichten.«
»Danke. Und gibt es etwas, das ich für Sie tun kann? Ich habe bisher noch nie für die Kirche gezaubert. Ich möchte ganz offen zu Ihnen sein, Mr. Briscall. Meine Kenntnisse der ekklesiastischen Zauberei sind sehr gering, aber ich freue mich, wenn ich jemandem helfen kann.«
»Hmm. Ich werde
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