Jonathan Strange & Mr. Norrell
und unten einrollte.
»Vielleicht ein Fisch?«, rief Jeremy.
»Es sieht eher aus wie eine Schnecke«, sagte Strange.
»Oder wie der Teil eines Ohrs«, fügte Jeremy an.
Strange starrte es noch einen Augenblick an. »Willst du es haben?«, fragte er.
»Nein danke, Sir«, sagte Jeremy mit resigniertem Blick auf seinen eigenen gesprungenen Teller. »Ich habe selbst welche.«
Als sie mit dem Essen fertig waren und die letzte Kerze heruntergebrannt war, gab es nichts anderes zu tun, als zu Bett zu gehen. Jeremy rollte sich auf der einen Seite des Zimmers zusammen und Strange legte sich auf die andere Seite. Jeder hatte sein Bett nach eigenem Geschmack zusammengestellt. Jeremy hatte aus seinen Ersatzkleidern eine Matratze gebildet, und Strange hatte sich ein Kopfkissen vorwiegend aus den Büchern aus Mr. Norrells Bibliothek geformt.
Auf einmal drang das Geräusch eines durch die Straße galoppierenden Pferdes zu der kleinen Weinhandlung. Ihm folgte bald das Geräusch von Stiefeln auf den wackligen Stufen, wiederum gefolgt vom Geräusch einer gegen die marode Tür hämmernden Faust. Die Tür wurde geöffnet, und ein schmucker junger Mann in Husarenuniform schwankte ins Zimmer. Der schmucke junge Mann war etwas außer Atem, doch unter heftigem Schnaufen brachte er mühsam heraus, dass Lord Wellington seine besten Empfehlungen an Mr. Strange schicke und er ihn, falls es ihm irgend möglich wäre, umgehend sprechen wolle.
In José Estorils Haus saß Wellington mit Offizieren aus seinem Stab und anderen Herren beim Abendessen. Strange hätte schwören können, dass sich die Herren am Tisch bis zu seinem Eintritt in lebhafter Unterhaltung befunden hatten, doch nun verstummten alle. Dies deutete darauf hin, dass sie über ihn gesprochen hatten.
»Ah, Strange!«, rief Lord Wellington und hob sein Glas zum Gruß. »Da sind Sie ja! Ich habe drei Adjutanten ausgeschickt, die den ganzen Abend nach Ihnen suchten. Ich wollte Sie zum Abendessen einladen, doch meine Jungs konnten Sie nicht finden. Setzen Sie sich trotzdem – es gibt Champagner und Nachtisch.«
Strange blickte wehmütig auf die Reste des Abendessens, die gerade von den Dienstboten weggetragen wurden. Neben anderen guten Sachen glaubte er die Überreste gebratener Gänse, die Schalen von Krabben in Butter, eine halbe Portion Selleriegemüse und ein paar portugiesische Wurstzipfel zu erkennen. Er dankte Seiner Lordschaft und setzte sich. Ein Diener brachte ihm ein Glas Champagner, und er nahm sich von der Mandeltorte und den Dörrkirschen.
»Und wie gefällt Ihnen der Krieg, Mr. Strange?«, fragte ein Herr mit fuchsroten Haaren und einem Fuchsgesicht am anderen Ende des Tisches.
»Nun, am Anfang ist es, wie die meisten Dinge, etwas verwirrend«, sagte Strange. »Aber nachdem ich inzwischen einige Abenteuer, die der Krieg bietet, miterlebt habe, gewöhne ich mich langsam daran. Ich wurde einmal ausgeraubt. Man hat einmal auf mich geschossen. Einmal fand ich einen Franzosen in der Küche und musste ihn rausjagen, und einmal wurde das Haus, in dem ich schlief, in Brand gesteckt.«
»Von den Franzosen?«, erkundigte sich Sir Charles Stewart.
»Nein, nein. Von den Engländern. Es gab da eine Kompanie aus dem 43., die in der Nacht offensichtlich ziemlich fror, also haben die Männer das Haus in Brand gesteckt, um sich zu wärmen.«
»Ach, das kommt immer wieder vor«, sagte Sir Charles Stewart.
Eine kleine Pause trat ein, und dann sagte ein Herr in Kavalleneuniform: »Wir haben uns über Zauberei und wie man sie ausübt unterhalten – oder vielmehr gestritten. Strathclyde sagt, Sie und der andere Zauberer haben jedes Wort in der Bibel mit einer Nummer versehen, und dann suchen Sie nach den Wörtern, um den Spruch zu erfinden, und dann zählen Sie die Nummern zusammen, und dann machen Sie etwas anderes und dann ...«
»Das habe ich nicht gesagt«, beschwerte sich ein anderer, vermutlich Strathclyde. »Sie haben überhaupt nichts verstanden!«
»Ich fürchte, ich habe nie etwas gemacht, was Ihrer Beschreibung auch nur im Entferntesten entspricht«, sagte Strange. »Es kommt mir ziemlich kompliziert vor, und ich glaube nicht, dass es funktionieren würde. Für meine Art des Zauberns gibt es viele, viele Methoden. So viele, vermute ich, wie fürs Kriegführen.«
»Ich würde gern zaubern«, sagte der Herr mit den fuchsroten Haaren und dem Fuchsgesicht am anderen Ende des Tisches. »Ich würde jeden Abend einen Ball mit Elfenmusik und einem Elfenfeuerwerk geben und
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