Jonathan Strange & Mr. Norrell
antwortete Ned. »Wegen dieser verdammten portugiesischen Straßen.« Er deutete vor sich auf die Ansammlung aus Steinen und Schlaglöchern, die die Portugiesen stolz als Straße bezeichneten. »Sie machen einem die Stiefel kaputt, und nachts tun einem die Knochen weh vom Marschieren. Aber wenn ich neue Stiefel hätte, wie wäre ich erholt nach einem ganztägigen Fußmarsch. Ich könnte noch gegen die Franzosen kämpfen! Ich könnte sie noch schwitzen lassen!«
»Dein Hunger auf das Schlachtgewühl ehrt dich, Ned«, sagte Strange. »Danke schön. Du hast mir eine hervorragende Antwort gegeben.« Er ritt davon und ließ zahlreiche Rufe wie: »Wann wird Ned seine Stiefel bekommen?« und »Wo sind Neds Stiefel?« hinter sich.
Lord Wellingtons Hauptquartier wurde an diesem Abend in einer ehemals vornehmen Villa in dem kleinen Dorf Lousão aufgeschlagen. Das Haus hatte einst einem wohlhabenden, patriotischen Adligen gehört, dem Portugiesen José Estoril, doch er und seine Söhne waren von den Franzosen gefoltert und umgebracht worden. Seine Frau war an Fieber gestorben, und über das traurige Schicksal seiner Töchter waren mehrere Geschichten in Umlauf. Monatelang war es ein trübseliger Ort gewesen, doch nun war Wellingtons Stab eingetroffen, der es mit laustarken Witzen und Streitereien erfüllte, und Offiziere, die in ihren roten und blauen Jacken ein und aus gingen, verliehen den düsteren Räumen einen nahezu heiteren Anstrich.
Die Stunde vor dem Abendessen war eine der geschäftigsten des Tages, und der Raum war voll mit Offizieren, die Berichte ablieferten, Befehle abholten oder einfach nur Klatsch austauschten. An einer Seite des Raums führte eine sehr eindrucksvolle, ausgeschmückte und baufällige Treppe aus Stein zu einer schönen alten Doppeltür. Hinter der Tür, so hieß es, saß Lord Wellington und arbeitete hart an neuen Plänen, um die Franzosen zu besiegen, und interessanterweise warf jeder, der den Raum betrat, einen respektvollen Blick die Treppe hinauf. Zwei Männer aus Wellingtons engstem Stab, der Generalquartiermeister, General Sir George Murray, und der Generaladjutant, General Sir Charles Stewart, saßen sich an einem großen Tisch gegenüber und waren eifrig damit beschäftigt, den Einsatz der Armee für den morgigen Tag vorzubereiten. Und hier unterbreche ich kurz, um festzustellen, dass Sie, sollten Sie bei »General« an zwei alte Männer gedacht haben, falscher nicht liegen könnten. Zwar war die britische Armee, als der Krieg gegen die Franzosen vor achtzehn Jahren begonnen hatte, von äußerst ehrwürdigen alten Männern kommandiert worden, von denen viele im Laufe ihrer Karriere nie ein Schlachtfeld gesehen hatten. Aber die Jahre waren verstrichen, und die alten Generäle waren alle im Ruhestand oder gestorben und passenderweise durch jüngere, etwas lebhaftere Männer ersetzt worden. Wellington selbst war erst Anfang vierzig, und die meisten seiner höheren Offiziere waren noch jünger. Der Raum in José Estorils Haus war voller junger Männer, die alle gern kämpften, alle gern tanzten und alle Lord Wellington zu Füßen lagen.
Der Märzabend war trotz des Regens mild – so mild wie ein Maiabend in England. Seit José Estorils Tod war sein Garten verwildert, vor allem wucherten zahlreiche Fliederbüsche um die Hausmauern herum. Die Büsche standen in voller Blüte, und die offenen Fenster und Läden ließen die feuchte, nach Flieder duftende Luft herein. Plötzlich stellten General Murray und Sir Charles Stewart fest, dass sie selbst wie auch ihre wichtigen Unterlagen über und über mit Wassertropfen bedeckt wurden. Als sie unwillig hochblickten, sahen sie, wie Strange draußen auf der Veranda unbekümmert seinen Regenschirm ausschüttelte.
Er kam herein und wünschte einigen ihm bekannten Offizieren einen guten Abend. Er trat an den Tisch und erkundigte sich, ob er vielleicht Lord Wellington sprechen könnte. Sir Charles Stewart, ein stolzer, gut aussehender Mann, schüttelte zur Antwort lediglich energisch den Kopf. General Murray, eine etwas freundlichere und entgegenkommendere Seele, sagte, er fürchte, das sei nicht möglich.
Strange blickte die baufällige Treppe hinauf zu den großen geschnitzten Türen, hinter denen Seine Lordschaft saß. (Interessant, dass jeder instinktiv wusste, wo er zu finden war. Bedeutende Menschen üben eine solche Faszination aus!) Strange machte keinerlei Anstalten zu gehen. General Murray nahm an, dass er sich einsam fühlte.
Ein hoch
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