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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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gewachsener Mann mit eindrucksvollen schwarzen Brauen und einem langen ebenso schwarzen Schnurrbart trat an den Tisch. Er trug eine dunkelblaue Jacke mit den goldenen Litzen der Leichten Dragoner. »Wohin haben Sie die französischen Gefangenen gebracht?«, fragte er General Murray.
    »In den Glockenturm«, sagte General Murray.
    »In Ordnung«, sagte der Mann. »Ich frage nur, weil Oberst Pursey letzte Nacht drei Franzosen in einen kleinen Schuppen gesteckt hat, in der Annahme, sie könnten dort keinen Schaden anrichten. Doch anscheinend haben drei Kerle aus dem 52. vorher ein paar Hühner dort untergebracht, und nachts haben die Franzosen die Hühner aufgegessen. Oberst Pursey sagte, einige seiner Burschen hätten die Franzosen auf sehr merkwürdige Weise in Augenschein genommen – als fragten sie sich, wie viel von dem Hühnergeschmack nun in den Franzosen steckte und ob es sich lohnte, einen von ihnen zu kochen, um es herauszufinden.«
    »Oh!«, sagte General Murray. »So etwas kann heute Nacht nicht passieren. Die einzigen anderen Lebewesen im Glockenturm sind Ratten, und ich nehme an, falls jemand jemand anders fressen wird, dann die Ratten die Franzosen.«
    General Murray, Sir Charles Stewart und der Mann mit dem schwarzen Schnurrbart begannen zu lachen, als sie plötzlich von dem Zauberer mit den Worten unterbrochen wurden: »Die Straße zwischen Espinhal und Lousão ist in einem furchtbar schlechten Zustand.« (Es handelte sich hierbei um die Straße, auf der ein Großteil der britischen Armee an diesem Tag angekommen war.)
    General Murray bestätigte, dass die Straße tatsächlich in einem schlechten Zustand war.
    »Ich weiß nicht«, fuhr Strange fort, »wie oft mein Pferd heute über Schlaglöcher gestolpert und im Schlamm ausgerutscht ist. Ich war mir sicher, dass es lahmen würde. Doch es war nicht schlimmer als auf den anderen Straßen, die ich gesehen habe, seit ich hier bin, und soviel ich weiß, müssen einige von uns morgen durch Gegenden marschieren, in denen es überhaupt keine Straßen mehr gibt.«
    »Ja«, sagte General Murray und wünschte inständig, der Zauberer möge verschwinden.
    »Durch über die Ufer getretene Flüsse und steinige Ebenen, durch Wälder und Dickicht, nehme ich an«, sagte Strange. »Das wird für uns alle eine Tortur werden. Ich vermute, wir werden kaum vorwärts kommen. Ich vermute, wir werden überhaupt nicht vorwärts kommen.«
    »Das ist einer der Nachteile, die sich ergeben, wenn man Krieg in einem so entlegenen Land am Ende der Welt wie Portugal führt«, sagte General Murray.
    Sir Charles Stewart sagte gar nichts, aber der zornige Blick, den er dem Zauberer zuwarf, drückte seine Meinung sehr deutlich aus: Vielleicht käme Mr. Strange besser vorwärts, wenn er und sein Pferd sich zurück nach London begeben würden.
    »Fünfundvierzigtausend Männer und ihre Pferde, Karren und Ausrüstung durch ein so furchtbares Land zu schicken! In England würde das keiner glauben.« Strange lachte. »Wie schade, dass Seine Lordschaft nicht einen Augenblick Zeit hat, um mit mir zu sprechen, aber vielleicht sind Sie so gut und richten ihm etwas von mir aus. Sagen Sie ihm: Mr. Strange schickt seine besten Empfehlungen an Lord Wellington und sagt, falls Seine Lordschaft gern eine schöne, gut befestigte Straße hätte, auf der die Armee morgen marschieren kann, dann wird Mr. Strange eine solche mit Vergnügen herzaubern. Oh! Und falls er es wünscht, kann er auch Brücken haben, als Ersatz für die, die die Franzosen in die Luft gesprengt haben. Guten Abend.« Damit verbeugte sich Strange vor den beiden Herren, nahm seinen Schirm und ging.
    Strange und Jeremy Johns war es nicht gelungen, in Lousão eine Unterkunft zu finden. Keiner der Herren, die ein Quartier für die Generäle gefunden und dem Rest der Soldaten ein feuchtes Feld zum Schlafen zugewiesen hatten, hatte irgendwelche Vorkehrungen für den Zauberer und seinen Diener getroffen. Schließlich hatte Strange mit einem Mann, der eine kleine Weinhandlung ein paar Meilen Richtung Miranda de Corvo besaß, die Bedingungen für ein winziges Zimmer im ersten Stock ausgehandelt.
    Strange und Jeremy nahmen das Abendessen zu sich, das der Weinhändler für sie zubereitet hatte. Es war Eintopf, und ihre abendliche Hauptbeschäftigung bestand darin, zu raten, was alles in dem Eintopf war.
    »Was zum Teufel ist das?«, fragte Strange und hielt seine Gabel hoch. An deren Ende befand sich etwas weißlich Glänzendes, das sich nach oben

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