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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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in dieser Zeit trieb er allerlei Unwesen – Diebstahl, Glücksspiel, Raufereien, Sachbeschädigungen –, aber er achtete immer darauf, dass diese Abenteuer in weiter Entfernung vom Bauernhof stattfanden, und er hatte jedes Mal eine einleuchtende Entschuldigung parat, um seine Abwesenheit zu erklären; daher hatte sein Herr, der Bauer, nie den Verdacht, dass etwas nicht stimmte, obwohl die anderen Dienstboten genau Bescheid wussten. Der Bauer hieß Robert Findhelm. Er war ein ruhiger, freundlicher, ehrenwerter Mensch – die Sorte Mensch, die von einem Schurken wie Clegg leicht hintergangen wird. Der Bauernhof gehörte seit Generationen seiner Familie, doch einst, vor langer Zeit, zählte er zu den Gehöften von Easby Abbey ...«
    Mr. Norrell zog hörbar den Atem ein und rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her.
    Lascelles sah ihn fragend an.
    »Easby Abbey war eine der Gründungen des Rabenkönigs«, erklärte Mr. Norrell.
    »Genau wie Hurtfew«, fügte Childermass hinzu.
    »Ach!«, sagte Lascelles überrascht. 67 »Nach allem, was Sie über ihn gesagt haben, muss ich mich offen gestanden wundern, dass Sie in einem Haus lebten, das so eng mit ihm verbunden ist.«
    »Das verstehen Sie falsch«, sagte Mr. Norrell gereizt. »Wir sprechen von Yorkshire, von John Uskglass' Königreich Nordengland, in dem er dreihundert Jahre lang lebte und regierte. Dort gibt es fast kein Dorf, ja fast kein Feld, das nicht irgendwie mit ihm verbunden ist.«
    Childermass sprach weiter. »Findhelms Familie besaß noch etwas, das einst zur Abtei gehört hatte – einen Schatz, der ihr vom letzten Abt übergeben worden war und der zusammen mit dem Land vom Vater auf den Sohn überging.«
    »Ein Zauberbuch?«, fragte Norrell neugierig.
    »Falls es stimmt, was man mir in Yorkshire erzählt hat, dann war es mehr als ein Zauberbuch. Es war das Zauberbuch schlechthin. Ein Buch, das vom Rabenkönig verfasst und eigenhändig niedergeschrieben worden ist.«
    Es folgte ein Schweigen.
    »Ist das möglich?«, fragte Lascelles Mr. Norrell.
    Mr. Norrell antwortete nicht. Er saß tief in Gedanken versunken da und war von dieser neuen, nicht unbedingt angenehmen Vorstellung gefangen.
    Schließlich sprach er, aber er schien eher laut zu denken, als auf Lascelles' Frage zu antworten. »Ein Buch, das dem Rabenkönig gehörte oder von ihm verfasst wurde, ist eine der großen Torheiten der englischen Zauberei. Mehrere Leute haben sich eingebildet, sie hätten es gefunden oder wüssten, wo es versteckt ist. Einige von ihnen waren kluge Männer, die möglicherweise wichtige gelehrte Werke geschrieben hätten und stattdessen auf der Suche nach dem Buch des Königs ihr Leben vergeudet haben. Aber das bedeutet nicht, dass ein solches Buch nicht irgendwo existiert...«
    »Und wenn ein solches Buch irgendwo existiert«, drängte Lascelles, »und gefunden würde – was wäre dann?«
    Mr. Norrell schüttelte den Kopf und antwortete nicht.
    Childermass antwortete für ihn. »Dann müsste die gesamte englische Zauberei im Licht dessen, was man dort fände, neu gesehen werden.«
    Lascelles zog eine Augenbraue hoch. »Ist das wahr?«, fragte er.
    Mr. Norrell zögerte und blickte drein, als würde er dies am liebsten verneinen.
    »Glaubst du , dass es sich um das Buch des Königs handelt?«, fragte Lascelles Childermass.
    Childermass zuckte die Achsel. »Findhelm glaubte mit Sicherheit daran. In Richmond machte ich zwei alte Leute ausfindig, die in ihrer Jugend als Dienstboten in Findhelms Haus tätig waren. Sie sagten, das Buch des Königs sei der Stolz seines Lebens gewesen. Vor allem anderen war er der Wächter des Buches, und sämtliche anderen Pflichten – als Ehemann, Vater, Bauer – waren dem untergeordnet.« Childermass hielt inne. »Der größte Ruhm und die größte Bürde, deren ein Mann in diesem Zeitalter teilhaftig werden kann«, grübelte er. »Findhelm war, wie es scheint, bis zu einem gewissen Grad selbst ein theoretischer Zauberer. Er kaufte Bücher über Zauberei und bezahlte einen Zauberer in Northallerton dafür, dass er ihn unterrichte. Doch eine Sache fiel mir als sehr merkwürdig auf – beide alten Dienstboten bestanden darauf, dass Findhelm nie im Buch des Königs las und nur eine ganz ungenaue Vorstellung von seinem Inhalt hatte.« »Ah!«, rief Mr. Norrell leise aus. Lascelles und Childermass sahen ihn an.
    »Also konnte er es nicht lesen«, sagte Mr. Norrell. »Nun, das ist sehr...« Er verstummte und begann auf den Fingernägeln zu

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