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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Sklave. Niemand auf britischem Boden kann ein Sklave sein. Die Luft Englands ist die Luft der Freiheit. Darauf, dass es so ist, sind die Engländer mächtig stolz.« Und trotzdem , dachte er, besitzen sie in anderen Ländern Sklaven . Laut sagte er: »Von dem Augenblick an, in dem Sir Williams Kammerdiener mich als winziges Baby vom Schiff trug, war ich frei.«
    »Nichtsdestotrotz sollten wir sie bestrafen«, rief der Herr. »Wir können Lady Poles Gatten ganz leicht umbringen, und dann werde ich in die Hölle hinabsteigen, um seinen Großvater zu finden, und dann...«
    »Aber weder Sir William noch Sir Walter haben etwas mit der Versklavung zu tun«, widersprach Stephen. »Sir Walter war immer gegen den Sklavenhandel. Und Sir William war sehr freundlich zu mir. Er ließ mich taufen und erziehen.«
    »Taufen? Was? Sogar Ihr Name wurde Ihnen von Ihren Feinden aufgezwungen? Und er steht für die Sklaverei? Dann rate ich Ihnen dringend, ihn abzulegen und einen neuen zu wählen, wenn Sie den Thron von England besteigen. Wie hat Ihre Mutter Sie genannt?«
    »Ich weiß nicht, Sir. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt irgendwie genannt hat.«
    Der Herr kniff die Augen zusammen, als Zeichen, dass er scharf nachdachte. »Das wäre eine seltsame Mutter«, überlegte er, »die ihrem Kind keinen Namen gibt. Ja, es wird einen Namen geben, der zu Ihnen gehört. Wirklich zu Ihnen gehört. So viel steht für mich fest. Der Name, mit dem Ihre Mutter Sie in ihrem Herzen während dieser wertvollen Augenblicke nannte, in denen sie Sie in den Armen hielt. Sind Sie denn gar nicht neugierig, ihn zu erfahren?«
    »Gewiss, Sir. Aber meine Mutter ist schon lange tot. Vielleicht hat sie den Namen nie einer anderen Seele anvertraut. Ihr eigener Name ging verloren. Als ich noch ein Junge war, fragte ich einmal Sir William danach, aber er konnte sich nicht erinnern.«
    »Zweifellos wusste er ihn sehr wohl, aber er wollte ihn Ihnen aus Bosheit nicht verraten. Man brauchte jemand ganz Besonderes, um Ihren Namen wiederzufinden, Stephen – jemanden mit seltenem Scharfsinn, außergewöhnlichen Begabungen und einem unvergleichbar edlen Charakter. Mich eben. Ja, das werde ich tun. Als Zeichen meiner Liebe zu Ihnen werde ich Ihren wahren Namen finden.«
KAPITEL 31
Siebzehn tote Neapolitaner
April 1812 bis Juni 1814
    In der britischen Armee gab es zu jener Zeit ein paar »kundschaftende Offiziere«, deren Auftrag es war, mit den Einheimischen zu sprechen, die Briefe der französischen Soldaten zu stehlen und immer über den jeweiligen Aufenthalt der französischen Truppen Bescheid zu wissen. Lord Wellingtons kundschaftende Offiziere übertrafen alle romantischen Vorstellungen vom Krieg. Sie wateten bei Mondschein durch Flüsse und überquerten in der sengenden Hitze Bergketten. Sie lebten eher hinter den französischen Linien als hinter den englischen und kannten jeden, der der britischen Sache wohlwollend gegenüberstand.
    Der Größte dieser kundschaftenden Offiziere war zweifellos Major Colquhoun Grant vom 11. Infanterieregiment. Häufig blickten die Franzosen von ihrer jeweiligen Beschäftigung auf und sahen Major Grant auf dem Rücken seines Pferdes, während er sie von der Kuppe eines weit entfernten Hügels beobachtete. Er spähte durch sein Fernrohr zu ihnen und machte sich dann Notizen in ein kleines Heft. Den Franzosen wurde es davon höchst unbehaglich.
    Eines Morgens im April 1812 stellte Major Grant eher zufällig fest, dass er zwischen zwei französische Kavalleriepatrouillen geraten war. Als ihm klar wurde, dass er ihnen reitend nicht würde entkommen können, ließ er sein Pferd stehen und versteckte sich in einem kleinen Wald. Major Grant betrachtete sich in erster Linie als Soldat und nicht als Spion, und als Soldat war es ihm wichtig, zu jeder Zeit Uniform zu tragen. Unglücklicherweise war die Uniform des 11. Regiments (wie die aller Infanterieregimenter) von einem leuchtenden Scharlachrot, und da er sich in dem soeben ausschlagenden Frühlingslaub verbarg, hatten die Franzosen nicht die geringsten Schwierigkeiten, ihn ausfindig zu machen.
    Für die Briten bedeutete die Gefangennahme Grants ein Unglück, das dem Verlust einer ganzen Brigade normaler Männer gleichkam. Lord Wellington sandte umgehend Eilbotschaften aus – an die französischen Generäle mit dem Vorschlag, Gefangene auszutauschen, und an die Befehlshaber der Guerilla 70 , in denen er ihnen haufenweise Silberdollars und Waffen in Aussicht stellte, sollten

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