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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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sie Grants Freilassung erwirken. Als keiner dieser Vorschläge irgendein Ergebnis zeitigte, sah sich Lord Wellington gezwungen, einen anderen Plan auszuprobieren. Er heuerte einen der berüchtigtsten und grimmigsten Häuptlinge der Guerilla an, Jeronimo Saornil, um Jonathan Strange zu Major Grant zu führen.
    »Sie werden sehen, Saornil ist eine formidable Person«, informierte Lord Wellington Strange vor seinem Aufbruch, »aber in dieser Hinsicht mache ich mir keine Sorgen, denn dasselbe gilt für Sie, Mr. Strange.«
    Saornil und seine Männer waren tatsächlich eine so mörderische Bande von Bösewichtern, wie man sie sich nur vorstellen kann. Sie waren dreckig, übel riechend und unrasiert. In ihren Gürteln steckten Säbel und Messer und über ihren Schultern hingen Gewehre. Ihre Kleider und ihre Satteltaschen waren mit grausamen Zeichen und Bildern des Todes versehen: Totenköpfe und gekreuzte Knochen; von Messern durchstoßene Herzen; Galgen; Kreuzigungen auf Wagenrädern; Raben, die Herzen und Augen auspickten; und weitere ähnlich angenehme Wappen. Diese Bilder waren aus Gegenständen zusammengesetzt, die auf den ersten Blick wie Perlmuttknöpfe aussahen, sich bei näherem Hinsehen jedoch als Zähne all der Franzosen herausstellten, die sie getötet hatten. Besonders Saornil hatte so viele Zähne an sich und seiner Habe festgemacht, dass er bei jeder Bewegung rasselte, so als würden all die toten Franzosen immer noch vor Angst mit den Zähnen klappern.
    Bestens ausgestattet mit Todessymbolen, waren Saornil und seine Männer fest davon überzeugt, dass sie jedem, den sie trafen, Angst und Schrecken einjagen würden. Daher waren sie etwas beunruhigt, als sie feststellten, dass der englische Zauberer sie in dieser Hinsicht übertraf – er hatte einen Sarg bei sich. Wie viele Gewalttäter waren auch sie ziemlich abergläubisch. Einer von ihnen fragte Strange, was in dem Sarg sei. Ein Mann, antwortete er beiläufig.
    Nach tagelangem anstrengendem Ritt erreichten die Guerilla- Gruppe und Strange einen Hügel, von dem aus man die wichtigste Straße überblicken konnte, die von Spanien nach Frankreich führte. Auf dieser Straße, so versicherten sie Strange, würden Major Grant und seine Bewacher sicherlich vorbeikommen.
    Saornils Männer schlugen ihr Lager in der Nähe auf und bereiteten sich auf das Warten vor. Am dritten Tag sahen sie, wie sich eine große Gruppe französischer Soldaten auf der Straße näherte; in ihrer Mitte ritt Major Grant in seiner scharlachroten Uniform. Umgehend gab Strange die Anweisung, den Sarg zu öffnen. Drei Guerilleros nahmen Brecheisen zur Hand und stemmten den Deckel auf. In dem Sarg lag eine Tonfigur – eine Art Puppe, die aus dem rauen roten Lehm bestand, aus dem die Spanier für gewöhnlich ihre bunten Teller und Becher machten. Sie war lebensgroß, aber sehr grob geformt. Sie hatte zwei Löcher als Augen und so gut wie keine Nase. Dennoch war sie sorgfältig mit der Uniform des II. Infanterieregiments bekleidet.
    »Also«, sagte Strange zu Jeronimo Saornil, »wenn die französischen Vorreiter den Fels dort erreichen, dann greifen Sie mit Ihren Männern an.«
    Saornil brauchte einen Moment, um das zu verdauen, nicht nur, weil Stranges Spanisch einige Besonderheiten in Grammatik und Aussprache aufwies.
    Nachdem er begriffen hatte, fragte er: »Sollen wir versuchen, El Bueno Granto zu befreien?« (El Bueno Granto war der spanische Name für Major Grant.)
    »Auf keinen Fall!«, antwortete Strange. »Überlasst El Bueno Granto mir.«
    Saornil und seine Männer liefen den Hügel zur Hälfte hinab bis zu einer Stelle, an der ein paar Bäume einen Schirm zur Straße hin bildeten. Von hier aus eröffneten sie das Feuer. Die Franzosen waren völlig überrascht. Einige von ihnen wurden getötet, viele andere verwundet. Es gab keine Felsen und kaum Gebüsch – fast nichts, um sich zu verstecken –, doch die Straße lag immer noch vor ihnen und bot eine gute Gelegenheit, ihren Angreifern zu entfliehen. Nach ein paar Minuten der Panik und Verwirrung sammelten die Franzosen ihren Mut und ihre Verwundeten und machten sich davon.
    Als die Guerilleros wieder den Hügel hinaufkletterten, hatten sie große Zweifel, dass irgendetwas erreicht worden war; schließlich hatte sich die Gestalt in der scharlachroten Uniform immer noch zwischen den Franzosen befunden, als diese wegritten. Die Banditen erreichten die Stelle, an der sie den Zauberer zurückgelassen hatten, und stellten überrascht

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