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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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fest, dass er nicht mehr allein war. Major Grant war bei ihm. Die beiden Männer saßen gemütlich beieinander auf einem Felsen, aßen kaltes Hühnchen und tranken Bordeaux.
    »... Brighton ist ganz in Ordnung«, sagte Major Grant, »aber mir ist Weymouth lieber.«
    »Sie erstaunen mich«, antwortete Strange. »Ich hasse Weymouth. Ich habe dort mit die schlimmsten Wochen meines Lebens verbracht. Ich war furchtbar verliebt in ein Mädchen namens Marianne, die mir einen Korb gegeben hat wegen eines Kerls mit einem Anwesen auf Jamaika und einem Glasauge.«
    »Dafür kann Weymouth nichts«, sagte Major Grant. »Ah! Capitän Saornil!« Er winkte dem Anführer mit einem Hühnerschenkel zu. »Buenos Dias!«
    Währenddessen ritten die Offiziere und Soldaten der französischen Eskorte weiter in Richtung Frankreich, und als sie nach Bayonne kamen, lieferten sie ihren Gefangenen beim Kommandanten der Bayonner Geheimpolizei ab. Der Kommandant der Geheimpolizei trat heran, um den Mann zu begrüßen, den er für Major Grant hielt. Er war etwas verwirrt, als er dem Major die Hand schütteln wollte und plötzlich den ganzen Arm in der Hand hielt. Das überraschte ihn so sehr, dass er ihn auf den Boden fallen ließ, wo er in tausend Stücke zerbrach. Er richtete sich auf, um sich bei ihm zu entschuldigen, und war noch entsetzter, als er sah, wie sich lange schwarze Risse in seinem Gesicht ausbreiteten. Als Nächstes fiel der Kopf des Majors ab – wodurch offenbar wurde, dass er innen hohl war –, und einen Augenblick später zerbrach er in kleine Stücke wie die Suppenschüssel, die der Zappelphilipp herunterriss.
    Am 22. Juli schlug Wellington die Franzosen vor der alten Universitätsstadt Salamanca. Es war der wichtigste Sieg der britischen Armee in den letzten Jahren.
    In jener Nacht floh die französische Armee durch die Wälder, die südlich von Salamanca lagen. Während sie rannten, blickten die Soldaten nach oben und sahen mit Erstaunen Engelsscharen, die durch die dunklen Bäume herabschwebten. Die Engel strahlten in gleißendem Licht. Ihre Flügel waren so weiß wie Schwanenflügel, und ihre Kleider schillerten vielfarbig wie Perlmutt, Fischschuppen oder wie der Himmel vor einem Gewitter. In ihren Händen hielten sie Flammenschwerter und in ihren Augen funkelte göttlicher Zorn. Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit flogen sie durch die Bäume und schwangen ihre Schwerter vor den Gesichtern der Franzosen.
    Viele Soldaten waren von solchem Schrecken ergriffen, dass sie sich umwandten und zurück in Richtung Stadt liefen – auf die sie verfolgende britische Armee zu. Die meisten von ihnen waren so verdutzt, dass sie lediglich stehen bleiben und staunen konnten. Ein Mann, der tapferer und entschiedener als der Rest war, versuchte zu verstehen, was geschah. Es kam ihm sehr unwahrscheinlich vor, dass der Himmel sich plötzlich mit Frankreichs Feinden verbündet haben sollte; schließlich hatte man so etwas seit den Zeiten des Alten Testaments nicht mehr gehört. Er stellte fest, dass die Engel die Soldaten zwar mit ihren Schwertern bedrohten, sie aber nie angriffen. Er wartete, bis einer der Engel sich zu ihm herunterschwang, und stach mit seinem Säbel nach ihm. Der Säbel traf auf keinen Widerstand – nur auf leere Luft. Auch wies der Engel keine Anzeichen von Verletzung oder Schock auf. Umgehend rief der Franzose seinen Landsleuten zu, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gebe; es handele sich lediglich um Trugbilder, die Wellingtons Zauberer geschaffen habe; sie könnten ihnen nichts anhaben.
    Die französischen Soldaten liefen auf der Straße weiter und wurden von den Phantomengeln verfolgt. Als sie aus dem Wald herauskamen, fanden sie sich am Ufer des Flusses Tormes wieder. Eine alte Brücke überspannte den Fluss und führte in die Stadt Alba de Tormes. Einer von Lord Wellingtons Verbündeten hatte die Brücke irrtümlich unbewacht gelassen. Die Franzosen überquerten sie und flohen durch die Stadt.
    Ein paar Stunden später, kurz nach der Morgendämmerung, ritt Lord Wellington erschöpft über die Brücke vor Alba de Tormes. Bei ihm befanden sich drei Herren: Oberst De Lancey, der stellvertretende Quartiermeister der Armee; ein junger Mann namens Fitzroy Somerset, Lord Wellingtons Militärsekretär; und Jonathan Strange. Alle drei waren staubig und trugen Spuren der Schlacht, und keiner von ihnen hatte in den letzten Tagen geschlafen. Dies war auch für die kommenden Tage unwahrscheinlich, denn Wellington war fest

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