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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Walter und Oberstleutnant Grant so unbehaglich zu Mute, wie es zwei Menschen, die unversehens Zeugen eines Ausbruchs ehelicher Zwistigkeiten werden, nur sein kann. Das Wissen, dass gegenwärtig weder Arabella noch Strange ihnen sonderlich wohlgesonnen waren, verbesserte ihre Lage auch nicht. Sie hatten bereits ein paar harsche Worte von Arabella über sich ergehen lassen müssen, als sie gestanden, Strange dazu ermuntert zu haben, die gefährliche Zauberei zu betreiben. Jetzt warf ihnen Strange wütende Blicke zu, als fragte er sich, welches Recht sie hätten, mitten in der Nacht sein Haus aufzusuchen und seine normalerweise gut gelaunte Frau so aufzuregen. Als eine kleine Pause eintrat, murmelte Oberstleutnant Grant etwas Unzusammenhängendes über die späte Stunde und ihre freundliche Gastfreundschaft, die mehr sei, als er verdiene, und wünschte allen eine gute Nacht. Aber da niemand seiner Rede auch nur die geringste Beachtung schenkte, musste er bleiben, wo er war.
    Sir Walter jedoch war von resoluterem Wesen. Er war mittlerweile überzeugt, dass es falsch gewesen war, Strange auf den Spiegelweg zu schicken, und entschlossen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Sache wieder gutzumachen. Als Politiker ließ er sich nicht davon abbringen, seine Meinung kundzutun, nur weil jemand sie nicht hören wollte. »Haben Sie alle Bücher über Zauberei gelesen?«, fragte er Strange.
    »Was ? Nein, selbstverständlich nicht. Sie wissen sehr wohl, dass das nicht der Fall ist«, erwiderte Strange (und dachte dabei an die Bücher in der Bibliothek von Hurtfew).
    »Diese Korridore, die Sie heute Nacht gesehen haben, wissen Sie, wohin sie führen?«, fragte Sir Walter.
    »Nein«, sagte Strange.
    »Wissen Sie, was das für ein dunkles Land ist, das die Brücke überspannt?«
    »Nein, aber...«
    »Dann ist es gewiss besser zu tun, was Mrs. Strange vorschlägt, und alles über diese Wege zu lesen, bevor Sie dorthin zurückkehren«, sagte Sir Walter.
    »Aber die Auskünfte in den Büchern sind ungenau und widersprüchlich! Das gibt sogar Norrell zu, und er hat alles gelesen, was es darüber zu lesen gibt. Dessen können Sie sicher sein.«
    Arabella, Strange und Sir Walter stritten eine weitere halbe Stunde, bis alle gekränkt und unglücklich waren und sich danach sehnten, ins Bett zu gehen. Allein Strange schien sich bei der Beschreibung der unheimlichen stillen Korridore, der Wege ohne Ende und der weiten dunklen Landschaften wohl zu fühlen. Arabella jagte das, was sie hörte, Angst ein, und Sir Walter und Oberstleutnant Grant waren entschieden beunruhigt. Die Zauberei, die vor ein paar Stunden noch so vertraut, so englisch erschienen war, wirkte jetzt unmenschlich, unirdisch, anderländiscb .
    Strange war der unerschütterlichen Meinung, dass sie die unverständigsten Menschen im Land waren, und ärgerte sich maßlos über sie. Sie schienen nicht zu begreifen, dass er etwas absolut Bemerkenswertes getan hatte. Es wäre nicht übertrieben gewesen (dachte er) zu behaupten, dass es die ungewöhnlichste Tat seiner Karriere gewesen war. Seit Martin Pale hatte kein englischer Zauberer mehr die Königswege beschritten. Aber anstatt ihn zu beglückwünschen und ihn für sein Geschick zu loben – was alle anderen getan hätten –, klagten sie auf Norrell’sche Art und Weise.
    Am nächsten Morgen erwachte er in tiefer Entschlossenheit, auf die Königswege zurückzukehren. Er grüßte Arabella gut gelaunt, sprach mit ihr über unverfängliche Dinge und versuchte so zu tun, als hätten sie nur aufgrund ihrer Müdigkeit und ihres überreizten Zustands am Abend zuvor gestritten. Aber bevor er Vorteil aus dieser angenehmen Vorstellung ziehen (und sich durch den nächsten großen Spiegel auf den Weg machen) konnte, erklärte ihm Arabella unumwunden, dass sie ihre Meinung seit dem Vorabend nicht geändert habe.
    Ist es letztlich nicht vergebens, dem Verlauf eines Streits zwischen Mann und Frau folgen zu wollen? Diese Art Gespräch mäandert mehr als jedes andere. Es speist sich aus alten Argumenten und Vorwürfen, die niemand versteht, außer den zwei direkt Betroffenen. Keiner von beiden hat in so einem Fall Recht oder Unrecht, und wenn doch, was bedeutet das?
    Der Wunsch, mit seinem oder seiner Angetrauten in Harmonie und Freundschaft zu leben, ist überaus stark, und Strange und Arabella waren in dieser Hinsicht nicht anders als andere. Nachdem sie zwei Tage lang über die Angelegenheit diskutiert hatten, gaben sie sich

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