Jonathan Strange & Mr. Norrell
gegenseitig schließlich ein Versprechen. Er versprach, die Königswege erst wieder zu beschreiten, wenn sie es ihm gestattete. Im Gegenzug versprach sie ihm, dem zuzustimmen, sobald er sie davon überzeugt hatte, dass er es gefahrlos tun konnte.
KAPITEL 37
Die Cinque Dragownes
November 1814
Vor sieben Jahren galt Mr. Lascelles' Haus in der Bruton Street als eines der besten in London. Es war auf eine Art perfekt, wie es nur sehr reiche, sehr müßige Menschen zustande bringen, die den Großteil ihrer Zeit damit verbringen, Gemälde und Skulpturen zu sammeln, und den Großteil ihrer geistigen Energie darauf verwenden, Möbel und Tapeten auszusuchen. Sein Geschmack war erstaunlich gut, und er hatte das Talent, Farben auf neue frappierende Weise miteinander zu kombinieren. Besonders mochte er Blau- und Grautöne und ein dunkles, metallisches Bronze. Er hing jedoch nicht auf sentimentale Weise an seinen Besitztümern. Er verkaufte Gemälde ebenso häufig, wie er sie kaufte, und sein Haus versank nie in dem Bildergalerie-Durcheinander, in das sich die Häuser so mancher Sammler verwandeln. In jedem Raum befand sich nur eine Hand voll Gemälde und objets d'art , aber unter dieser Hand voll waren einige der schönsten und bemerkenswertesten Kunstgegenstände in ganz London.
In den letzten sieben Jahren jedoch hatte die Vollkommenheit von Mr. Lascelles' Haus etwas gelitten. Die Farben waren so exquisit wie immer, aber seit sieben Jahren unverändert. Die Einrichtung war kostspielig, jedoch auf dem modischen Stand von vor sieben Jahren. Während der letzten sieben Jahre waren keine neuen Gemälde zu Lascelles' Sammlung hinzugekommen. Während der letzten sieben Jahre waren erstaunliche antike Skulpturen aus Italien, Ägypten und Griechenland nach London gebracht worden, aber andere Herren hatten sie gekauft.
Darüber hinaus wies das Haus Anzeichen auf, dass sich der Besitzer einer sinnvollen Tätigkeit widmete, dass er, kurz gefasst, arbeitete . Auf jedem Tisch und auf jedem Stuhl lagen Berichte, Manuskripte, Briefe und Unterlagen der Regierung, in jedem Zimmer fanden sich Ausgaben von Die Freunde der englischen Zauberei und Bücher über Zauberei.
Wenn Lascelles auch noch immer vorgab, Arbeit zu verachten, so hatte er in Wahrheit in den sieben Jahren seit Mr. Norrells Ankunft in London mehr getan als je zuvor. Obwohl Lord Portishead auf seinen Vorschlag hin zum Herausgeber von Die Freunde der englischen Zauberei ernannt worden war, hatte die Art und Weise, wie Seine Lordschaft die herausgeberischen Pflichten wahrnahm, Lascelles in einem kaum mehr erträglichen Ausmaß verärgert. Lord Portishead ordnete sich in allen Dingen Mr. Norrell unter – führte auf Mr. Norrells Geheiß augenblicklich alle unnötigen Änderungen durch –, und infolgedessen war Die Freunde der englischen Zauberei mit jeder Ausgabe langweiliger und geschwätziger geworden. Im Herbst 1810 hatte sich Lascelles zum Mitherausgeber ernennen lassen. Die Freunde der englischen Zauberei hatte mit die meisten Abonnenten im ganzen Königreich; der Arbeitsaufwand war nicht unerheblich. Zudem schrieb Lascelles für andere Zeitschriften und Zeitungen über Moderne Magie; er beriet die Regierung in Sachen Zaubereipolitik; er besuchte Mr. Norrell nahezu jeden Tag, und in seiner Freizeit studierte er Geschichte und Theorie der Zauberei.
Am dritten Tag, nachdem Strange Mrs. Bullworth aufgesucht hatte, arbeitete Lascelles konzentriert in seiner Bibliothek an der nächsten Ausgabe von Die Freunde der englischen Zauberei . Obwohl es schon nach Mittag war, hatte er noch nicht die Zeit gefunden, sich zu rasieren und anzukleiden, und saß im Morgenmantel zwischen Büchern, Papieren und dem Frühstücksgeschirr. Ein Brief, den er brauchte, war verschwunden, und er ging ihn suchen. Als er den Salon betrat, traf er dort überraschenderweise auf einen Besucher.
»Oh«, sagte er. »Sie sind's.«
Die unglücklich dreinblickende, in einem Sessel neben dem Feuer zusammengesunkene Gestalt hob den Kopf und sagte: »Ihr Diener sucht Sie, um Ihnen mitzuteilen, dass ich hier bin.«
»Ah«, sagte Lascelles und hielt inne, weil er offenbar nicht wusste, was er als Nächstes sagen sollte. Er setzte sich in den Sessel gegenüber, stützte den Kopf in die Hand und betrachtete Drawlight nachdenklich.
Drawlights Gesicht war blass, die Augen in den Höhlen versunken. Sein Rock war staubig, seine Stiefel waren nicht auf Hochglanz, und sogar sein Hemd wirkte schlaff.
»Ich empfinde es
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