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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Fenster Licht brannte, obwohl es fast zwei Uhr morgens war. Bevor er noch in seiner Tasche nach dem Schlüssel suchen konnte, wurde die Tür von Colquhoun Grant aufgerissen.
    »Um Himmels willen! Was tun Sie hier?«, rief Strange.
    Grant machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten, sondern drehte sich um und rief ins Haus: »Hier ist er, Ma'am. Heil und unversehrt.«
    Arabella kam aus dem Salon gelaufen, nahezu getaumelt, gefolgt von Sir Walter. Dann tauchten im Durchgang zur Küche Jeremy Johns und mehrere andere Dienstboten auf.
    »Ist etwas passiert? Stimmt etwas nicht?«, fragte Strange und schaute sie alle verdutzt an.
    »Sie Esel!«, sagte Grant, lachte und schlug ihm liebevoll auf den Kopf. »Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht. Wo um alles in der Welt waren Sie?«
    »In Hampstead.«
    »Hampstead!«, rief Sir Walter erstaunt. »Nun, wir freuen uns, Sie wiederzusehen.« Er warf Arabella einen Blick zu und fügte nervös hinzu: »Ich fürchte, wir haben Mrs. Strange grundlos in Angst und Schrecken versetzt.«
    »Oh!«, sagte Strange zu seiner Frau. »Du hast keine Angst gehabt, nicht wahr? Mir ist nichts passiert. Mir passiert nie etwas.«
    »Sehen Sie, Ma'am!«, sagte Oberstleutnant Grant frohgemut. »Es ist genau, wie ich Ihnen gesagt habe. In Spanien schwebte Mr. Strange oft in großer Gefahr, aber wir haben uns überhaupt keine Sorgen um ihn gemacht. Er ist zu schlau, um sich etwas zustoßen zu lassen.«
    »Müssen wir im Flur stehen?«, fragte Strange. Auf dem Rückweg von Hampstead hatte er über Zauberei nachgedacht und vorgehabt, seine Überlegungen zu Hause weiterzuführen. Stattdessen war das Haus voller gesprächiger Leute. Das machte ihn missmutig.
    Er führte die Gäste in den Salon und bat Jeremy Johns, ihm Wein und etwas zu essen zu bringen. Als alle saßen, sagte er: »Es war so, wie wir vermutet haben. Drawlight hat behauptet, dass Norrell und ich jede nur erdenkliche Art von schwarzer Magie betreiben. Ich traf ihn bei einer höchst erregbaren jungen Frau an, die von mir verlangte, ihre Verwandten mit Plagen zu überziehen.«
    »Wie schrecklich!«, sagte Oberstleutnant Grant.
    »Und was hat Drawlight gesagt?«, fragte Sir Walter. »Wie hat er die Sache erklärt?«
    »Ha!« Strange stieß ein kurzes bitteres Lachen aus. »Er hat überhaupt nichts gesagt. Er ist einfach davongelaufen – leider, da ich drauf und dran war, ihn zu einem Duell zu fordern.«
    »Oh!«, sagte Arabella plötzlich. »Jetzt sind es schon Duelle.«
    Sir Walter und Grant sahen sie beunruhigt an, aber Strange war zu vertieft in die Geschichte, um ihren zornigen Ausdruck zu bemerken. »Ich glaube nicht, dass er angenommen hätte, aber ich hätte ihm gern ein wenig Angst eingejagt. Gott weiß, er verdient es.«
    »Aber Sie haben noch nichts von diesem Königreich, dem Weg -was immer es ist – hinter dem Spiegel erzählt«, sagte Oberstleutnant Grant. »Hat es Ihren Erwartungen entsprochen?«
    Strange schüttelte den Kopf. »Mir fehlen die Worte, um es zu beschreiben. Alles, was Norrell und ich getan haben, ist nichts verglichen damit. Und doch besitzen wir die Frechheit, uns Zauberer zu nennen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine Vorstellung von seiner Großartigkeit vermitteln. Von seiner Größe und seiner komplizierten Anlage. Von den langen steinernen Korridoren, die in jeder Richtung abgehen. Anfangs habe ich versucht, ihre Länge und Anzahl zu schätzen, aber das habe ich bald aufgegeben. Sie schienen kein Ende zu nehmen. Da waren Kanäle aus Stein mit still stehendem Wasser. Im düsteren Licht wirkte das Wasser schwarz. Ich sah Treppen, die so hoch anstiegen, dass ich ihr Ende nicht sehen konnte, andere führten hinunter in tiefe Schwärze. Dann ging ich plötzlich unter einem Bogen hindurch und fand mich auf einer steinernen Brücke wieder, die eine leere dunkle Landschaft überspannte. Die Brücke war so lang, dass ihr Ende nicht zu erkennen war. Stellen Sie sich eine Brücke vor, die Islington und Twickenham verbindet. Oder York und Newcastle. Und überall in den Korridoren und auf der Brücke sah ich sein Bildnis.«
    »Wessen Bildnis?«, fragte Sir Walter.
    »Des Mannes, den Norrell und ich in fast allem, was wir geschrieben haben, verleumdet haben. Der Mann, dessen Namen Norrell nicht genannt hören will. Der Mann, der die Korridore, Kanäle, Brücken, alles gebaut hat. John Uskglass, der Rabenkönig. Natürlich ist alles im Laufe der Jahrhunderte verfallen. Wozu immer John Uskglass diese Wege benutzte, er

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