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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Hauptmann der Dragoner in den Kopf gesetzt, und die arme Lady Duncombe war verzweifelt. ›Oh, Ihre Ladyschaft‹, rief ich in dem Augenblick, als ich davon erfuhr, ›beruhigen Sie sich. Überlassen Sie alles mir. Ich gelte zwar nicht als außergewöhnliches Genie, wie Ihre Ladyschaft sehr wohl weiß, aber meine merkwürdigen Talente sind für diese Angelegenheit genau die richtigen.‹ Oh, Madam, Sie werden lachen, wenn Sie hören, wie ich die Sache geregelt habe. Ich glaube sagen zu dürfen, dass niemand anders auf der Welt auf einen so lächerlichen Plan verfallen wäre. Ich ging mit Miss Susan zu Gray in der Bond Street, wo wir einen angenehmen Vormittag damit verbrachten, Ketten und Ohrringe anzuprobieren. Sie hat ihr Leben überwiegend in Derbyshire verbracht und ist noch nicht an wirklich bemerkenswerten Schmuck gewöhnt. Ich glaube nicht, dass sie jemals zuvor ernsthaft über solche Dinge nachgedacht hat. Dann ließen Lady Duncombe und ich ein, zwei Bemerkungen fallen des Inhalts, dass es nie wieder in ihrer Macht stünde, solche entzückenden Einkäufe zu tätigen, wenn sie Hauptmann Hurst heiratete. Wenn sie hingegen Mr. Watts ehelichen würde, könnte sie unter den besten Stücken wählen. Als Nächstes machte ich mir die Mühe, Hauptmann Hurst kennen zu lernen, und überredete ihn, mich zu Boodle zu begleiten, wo – ich will Ihnen die Wahrheit nicht verschweigen, Madam –, wo gespielt wird.« Der kleine Mann kicherte. »Ich lieh ihm ein bisschen Geld, damit er sein Glück versuchen konnte – es war nicht mein eigenes Geld, Sie verstehen, Lady Duncombe hatte es mir für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Wir gingen drei–, viermal dorthin, und in erstaunlich kurzer Zeit betrugen des Hauptmanns Schulden – nun, Madam, ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie jemals wird begleichen können. Lady Duncombe und ich erklärten ihm, dass es eine Sache sei, wenn eine junge Frau einen Mann mit geringem Einkommen heiratete, aber eine ganz andere, wenn es sich um einen hoch verschuldeten Mann handelte. Anfänglich war er nicht geneigt, auf uns zu hören. Anfänglich machte er Gebrauch – nun, wie soll ich sagen? – von eher militärischen Ausdrücken. Aber letztlich sah er sich gezwungen einzugestehen, dass wir Recht hatten.«
    Mr. Norrell sah, dass die vernünftig wirkende Frau von vierzig oder fünfzig Jahren den kleinen Mann mit einem etwas angewiderten Blick bedachte. Dann verneigte sie sich leicht, nur ein wenig und sehr kalt, und verschwand ohne ein Wort in der Menge; der kleine Mann wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und begrüßte sofort einen Freund.
    Als Nächstes fiel Mr. Norrells Blick auf eine außerordentlich hübsche junge Frau in einem weißsilbernen Abendkleid. Ein großer, gut aussehender Mann sprach mit ihr, und sie lachte herzlich über alles, was er sagte.
    »... und was, wenn er zwei Drachen – einen roten und einen weißen – unter dem Fundament des Hauses finden würde, die in einen ewigen Kampf verstrickt sind und den zukünftigen Ruin von Mr. Godesdone symbolisieren? Ich nehme an«, sagte der Mann verschmitzt, »Sie hätten nichts dagegen.«
    Wieder lachte die Frau, diesmal noch fröhlicher als zuvor, und Mr. Norrell staunte, als jemand sie im nächsten Augenblick mit »Mrs. Godesdone« ansprach.
    Nach kurzem Nachdenken kam Mr. Norrell zu dem Schluss, dass er sich ihr vorstellen sollte, aber da war sie schon nirgendwo mehr zu sehen. Er war des Lärms und des Anblicks so vieler Menschen überdrüssig und beschloss, unbemerkt zu gehen, aber gerade jetzt war die Menschenschar an der Tür besonders undurchdringlich; er war gefangen im Strom der Leute und wurde von ihnen in eine andere Ecke des Raums geschwemmt. Er ging wieder und wieder im Kreis wie ein in einem Abfluss gefangenes trockenes Blatt; auf einer dieser Runden entdeckte er eine stille Ecke neben einem Fenster. Ein großer Wandschirm aus geschnitztem Ebenholz mit Einlegearbeiten aus Perlmutt verbarg halb – was für eine Freude! – einen Bücherschrank. Mr. Norrell glitt hinter den Wandschirm, nahm Eine einfache Erklärung der ganzen Offenbarung des heiligen Johannes von John Napier heraus und begann zu lesen.
    Er stand noch nicht lange da, als er zufällig aufblickte und den großen gut aussehenden Mann, der mit Mrs. Godesdone gesprochen hatte, und den kleinen dunklen Mann sah, der sich solche Mühe gegeben hatte, die Heiratshoffnungen des Hauptmanns Hurst zu zerstören. Sie diskutierten lebhaft, aber das

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