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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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angesprochen oder sich auf ihn zubewegt.
    Der Zauberer stand da und blickte seine Frau schweigend an. Plötzlich rief er aus: »Oh mein Gott, Arabella! Was hast du da an?«
    Selbst im schwachen flackernden Kerzenschein war deutlich zu sehen, dass sie ein schwarzes Kleid trug.
KAPITEL 44
Arabella
Dezember 1815
    Sie müssen ja ganz durchgefroren sein«, erklärte Mrs. Ayrton und nahm eine von Arabellas Händen in die ihren. »Du liebes bisschen! Sie sind so kalt wie ein Grab!«
    Eine andere Dame lief los und holte aus dem Salon einen von Arabellas Schals. Sie kehrte mit einem blauen indischen Kaschmirtuch zurück, dessen Rand mit zierlichen goldenen und rosafarbenen Fäden eingefasst war, doch als Mrs. Ayrton Arabella darin einwickelte, schien das schwarze Kleid seine ganze Schönheit zu erdrücken.
    Arabella hatte die Hände vor sich gefaltet und sah ihnen mit einem ruhigen, unbeteiligten Gesichtsausdruck zu. Sie schien weder überrascht noch peinlich berührt zu sein, sie alle hier vorzufinden.
    »Wo um alles in der Welt bist du gewesen?«, fragte Strange in drängendem Ton.
    »Spazieren«, sagte sie. Ihre Stimme klang genauso wie immer.
    »Spazieren? Arabella, bist du wahnsinnig? In drei Fuß tiefem Schnee? Wo?«
    »In den dunklen Wäldern«, sagte sie, »zwischen meinen sanft schlafenden Brüdern und Schwestern. Durch die Hochmoore, zwischen den lieblich duftenden Geistern meiner Brüder und Schwestern, die schon lange tot sind. Unter dem grauen Himmel, durch die Träume und das Gemurmel meiner Brüder und Schwestern, die noch kommen werden.«
    Strange starrte sie an. »Was?«
    Niemand überraschte es, dass sie auf diese so barsch vorgebrachten Fragen verstummte, und mindestens eine der Damen dachte sich, dass die Härte ihres Ehemanns sie so still werden und auf so seltsame Art antworten ließ.
    Mrs. Ayrton legte den Arm um Arabella und führte sie sanft in Richtung Treppe. »Mrs. Strange ist müde«, sagte sie bestimmt. »Kommen Sie, meine Liebe, lassen Sie uns hochgehen und...«
    »Oh nein!«, erklärte Strange. »Noch nicht! Ich möchte gern wissen, woher das Kleid stammt. Entschuldigen Sie bitte, Mrs. Ayrton, aber ich bin fest entschlossen...«
    Er ging auf sie zu, blieb dann aber unvermittelt stehen und blickte verwirrt auf den Boden. Dann schritt er vorsichtig um etwas herum. »Jeremy! Woher kommt dieses Wasser? Genau da, wo Mrs. Strange stand.«
    Jeremy Johns brachte einen Kerzenleuchter an den Fuß der Treppe. Dort war eine große Pfütze. Dann suchten er und Strange die Decke und die Wände ab. Die Dienstboten sowie die anderen Herren begannen sich ebenfalls für das Problem zu interessieren.
    Während die Männer hiervon abgelenkt waren, führten Mrs. Ayrton und die Damen Arabella still davon.
    Ashfairs Treppenhaus war genauso altmodisch wie der Rest des Hauses. Es war mit cremefarben gestrichenem Ulmenholz getäfelt. Der Boden bestand aus blank gefegten Steinplatten. Einer der Dienstboten glaubte, das Wasser sei unter den Platten hervorgesickert, und holte ein Brecheisen, um herumzustochern und zu beweisen, dass eine der Platten lose war. Doch es gelang ihm nicht, eine einzige zu bewegen. Nirgends gab es einen Hinweis darauf, woher das Wasser stammte. Ein anderer glaubte, dass vielleicht Hauptmann Ayrtons zwei Hunde das Wasser aus ihrem Fell geschüttelt hatten. Die Hunde wurden eingehend inspiziert. Sie waren kein bisschen nass.
    Schließlich untersuchten sie das Wasser.
    »Es ist schwarz, und es schwimmen irgendwelche kleinen Teilchen darin«, erklärte Strange.
    »Es sieht aus wie Moor«, sagte Jeremy Johns.
    Sie überlegten und diskutierten weiterhin, bis sie sich zum Aufgeben gezwungen sahen. Kurz darauf brachen die Herren auf und nahmen ihre Ehefrauen mit.
    Um fünf Uhr ging Janet Hughes nach oben ins Schlafzimmer ihrer Herrin und fand sie im Bett liegend vor. Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, das schwarze Kleid auszuziehen. Als Janet sie fragte, ob sie sich unwohl fühle, antwortete Arabella, sie spüre einen Schmerz in den Händen. Also half Janet ihrer Herrin beim Auskleiden und ging dann, um Strange Bericht zu erstatten.
    Am zweiten Tag klagte Arabella über einen Schmerz, der sie vom Kopfende bis zur rechten Seite der Füße (zumindest meinte sie, wie Strange vermutete, das, wenn sie sagte: »von der Krone bis zu den Wurzelspitzen«) durchfuhr. Dies beunruhigte Strange so sehr, dass er nach Mr. Newton schickte, dem Arzt aus Church Stretton. Mr. Newton ritt am Nachmittag nach

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