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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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zurück ins Zimmer. Er ging sofort zu Strange, beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Nun rede schon! Sag uns, was los ist!«, sagte Henry.
    Jeremy blickte zweifelnd zu Strange, doch Strange sagte nichts. Er legte die Hand auf den Mund, seine Augen wanderten rasch hin und her, als sei er plötzlich von einer neuen, nicht besonders angenehmen Idee befallen.
    Jeremy sagte: »Mrs. Strange ist nicht mehr im Haus, Sir. Wir wissen nicht, wo sie ist.«
    Henry fragte Mr. Hyde darüber aus, was er in den Hügeln gesehen hatte; er ließ ihn kaum ausreden, sondern stellte ihm schon neue Fragen, bevor er Zeit hatte, zu antworten. Jeremy Johns runzelte beim Anblick der beiden die Stirn. Unterdessen saß Strange schweigend da und starrte vor sich hin. Plötzlich stand er auf und verließ raschen Schrittes das Zimmer.
    »Mr. Strange!«, rief Mr. Hyde. »Wo gehen Sie hin?«
    »Strange!«, rief Henry aus.
    Da ohne ihn nichts geschehen oder entschieden werden konnte, hatten sie keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Strange stieg die Treppen zur Bibliothek im ersten Stock hinauf und trat sofort zu der großen Silberschale, die auf einem Tisch stand.
    »Bring Wasser«, sagte er zu Jeremy Johns.
    Jeremy Johns holte einen Wasserkrug und füllte die Schale.
    Strange sagte ein einziges Wort, und das Zimmer schien in Zwielicht und Schatten getaucht zu werden. Im selben Moment verdunkelte sich das Wasser in der Schale und wurde fast undurchsichtig.
    Die nachlassende Helligkeit erschreckte Henry.
    »Strange!«, rief er. »Was machen wir hier? Das Licht geht aus! Meine Schwester ist draußen. Wir sollten keinen Augenblick länger im Haus bleiben!« Er wandte sich an Jeremy Johns, der im Moment die einzige Person war, die vielleicht noch etwas Einfluss auf Strange hatte. »Sag ihm, er soll aufhören! Wir müssen uns auf die Suche machen!«
    »Sei still, Henry«, sagte Strange.
    Er zog den Finger zweimal über die Wasseroberfläche. Zwei glänzende Linien erschienen, die das Wasser in Viertel aufteilten. Über einem der Viertel vollführte er eine Geste. In diesem Viertel tauchten Sterne, weitere Linien, Äderungen und Lichtnetze auf. Er starrte einige Momente hinein. Dann vollführte er über dem nächsten Viertel eine Geste. Ein anderes Lichtmuster erschien. Er wiederholte das Vorgehen auf dem dritten und auf dem vierten Viertel. Die Muster waren nie gleich. Sie wandelten sich und funkelten, manchmal sahen sie aus wie etwas Geschriebenes, dann wieder wie die Striche auf einer Landkarte oder aber wie Sternenkonstellationen.
    »Wozu soll das dienen?«, fragte Mr. Hyde verwundert.
    »Sie zu finden«, sagte Strange. »Jedenfalls sollte es dazu dienen.«
    Er tippte eines der Viertel an. Sofort verschwanden die anderen drei Muster. Das verbleibende Muster breitete sich aus, bis es die gesamte Wasseroberfläche ausfüllte. Strange teilte es in Viertel, untersuchte es eine Weile und tippte dann auf eines der Viertel. Dieses Vorgehen wiederholte er mehrmals. Die Muster wurden kleinteiliger und ähnelten immer mehr einer Landkarte. Doch je weiter Strange voranschritt, desto zweifelnder wurde sein Gesichtsausdruck und desto unsicherer schien er darüber zu sein, was die Schale ihm zeigte.
    Nach einigen Minuten hielt Henry es nicht mehr aus. »Um Gottes willen, wir haben keine Zeit für Zauberei! Arabella ist verschollen! Strange, ich bitte dich! Hör mit diesem Unsinn auf und lass uns nach ihr suchen!«
    Strange gab ihm keine Antwort, aber er sah verärgert aus und schlug auf das Wasser. Umgehend verschwanden die Linien und Sterne. Er atmete tief ein und fing wieder von vorn an. Diesmal ging er etwas zuversichtlicher vor und hatte bald ein Muster gefunden, das er offenbar als sachdienlich erachtete. Doch statt nützliche Schlüsse daraus zu ziehen, saß er da und blickte mit einer Mischung aus Bestürzung und Ratlosigkeit darauf.
    »Was ist los?«, fragte Mr. Hyde alarmiert. »Mr. Strange, sehen Sie Ihre Frau?«
    »Ich kann mir keinen Reim darauf machen, was der Zauber mir zeigt. Er zeigt, dass sie nicht in England ist. Nicht in Wales. Nicht in Schottland. Nicht in Frankreich. Ich kann den Zauber nicht richtig einsetzen. Du hast Recht, Henry. Ich verschwende hier nur meine Zeit. Jeremy, bring mir meine Stiefel und meinen Rock!«
    Plötzlich erblühte eine Vision auf dem Wasser. In einem alten, dunklen Herrenhaus tanzte eine Gruppe gut aussehender Männer und hübscher Frauen. Doch da dies keine vorstellbare Verbindung mit

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