Jonathan Strange & Mr. Norrell
Bauern vom Markt zurückkehrte. Sie war ein völlig anderer Menschenschlag. Was sie anbelangte, war ein Mann in guten Kleidern und mit einem kostspieligen (wenn auch toten) Pferd ein Herr – welche Hautfarbe er auch zu haben beliebte. Sie erzählte Stephen von einem Schinder, der die toten Pferde des Bauernhofs holte, das Fleisch wegwarf und die Knochen und Hufe verkaufte, um Kleister daraus herzustellen. Sie sagte ihm, was der Schinder zahlen würde, und versprach, alles in die Wege zu leiten, wenn sie ein Drittel des Erlöses behalten dürfte. Stephen war einverstanden.
Stephen und der Fuhrmann gingen zurück auf die Straße.
»Danke«, sagte Stephen. »Ohne deine Hilfe wäre es viel schwieriger gewesen. Ich werde dich für deine Mühe selbstverständlich entlohnen. Und ich fürchte, ich muss dich noch weiter bemühen. Ich wäre dir zu großem Dank verpflichtet, wenn du mich zur nächsten Poststation bringen könntest.«
»Nee!«, sagte der Fuhrmann. »Steck die kleine Börse weg, Jung. Ich bring dich nach Doncaster – für umsonst.«
In Wahrheit hätte Stephen es vorgezogen, zur nächsten Poststation gebracht zu werden, aber der Fuhrmann schien so erfreut, einen Gefährten gefunden zu haben, dass es von größerer Freundlichkeit und Dankbarkeit zeugte, mit ihm bis nach Doncaster zu fahren.
Der Karren näherte sich Doncaster auf Umwegen, sie fuhren über Landstraßen und erreichten Gasthäuser und Dörfer aus seltsamen und überraschenden Richtungen. Sie lieferten hier eine Bettstatt ab und dort einen Obstkuchen und nahmen zahllose merkwürdig geformte Pakete auf. Einmal hielten sie vor einer winzigen Kate, die einsam hinter einer hohen kahlen Hecke mitten im Wald stand. Dort übergab ihnen eine uralte Magd einen alten schwarz gestrichenen Vogelkäfig mit einem kleinen Kanarienvogel darin. Der Fuhrmann erklärte Stephen, dass er einer alten Dame gehört habe, die gestorben sei, und zu ihrer Großnichte südlich von Selby gebracht werden müsse.
Kurz nachdem der Kanarienvogel im Karren verstaut war, erschrak Stephen über ein Schnarchen so laut wie Donnergrollen, das unerwarteterweise von hinten nach vorn drang. Es schien unmöglich, dass ein so kleiner Vogel ein so lautes Geräusch von sich gab, und Stephen folgerte, dass sich eine weitere Person im Karren befinden musste, jemand, den zu sehen er noch nicht die Ehre gehabt hatte.
Der Fuhrmann nahm eine große Schweinefleischpastete und ein Stück Käse aus einem Korb. Mit einem langen Messer schnitt er etwas von der Pastete ab und wollte es Stephen anbieten, als ihm Zweifel kamen. »Essen schwatte Jungs datselbe wie wir?«, fragte er, als meinte er, sie würden vielleicht Gras oder Mondstrahlen essen.
»Ja«, sagte Stephen.
Der Fuhrmann gab Stephen das Stück Pastete und etwas Käse.
»Danke. Möchte dein anderer Fahrgast nicht auch etwas?«
»Vielleicht. Wenn er aufwacht. Ich hab ihn in Ripon aufgenommen. Hat kein Geld. Dachte, vielleicht könnt ich mich mit ihm unterhalten. Anfangs war er auch gesprächig, aber in Boroughbridge is er eingeschlafen und bis jetzt nich wieder aufgewacht.«
»Sehr unfreundlich von ihm.«
»Mir egal. Ich hab ja jetzt dich, mit dem ich reden kann.«
»Er muss sehr müde sein«, sagte Stephen. »Er hat geschlafen, als du mein Pferd erschossen hast, als wir bei dem dummen Bauern waren, die Bettstatt abgeliefert und den Kanarienvogel aufgenommen haben – ja, während allem, was heute passiert ist. Wohin ist er unterwegs?«
»Der? Nirgends. Er zieht von einem Ort zum annern. Er wird von 'nem berühmten Mann in London verfolgt und kann nirgendwo lang bleiben – damit der Diener von dem annern ihn nich findet.«
»Wirklich?«
»Er is blau«, sagte der Fuhrmann.
»Blau?«, sagte Stephen verwirrt.
Der Fuhrmann nickte.
»Wie? Blau vor Kälte? Oder wurde er geschlagen?«
»Nee, Jung. Er is so blau, wie du schwarz bist. Ha! Ich hab 'n schwatten Jung und 'n blauen Kerl im Karren. Hab noch nie gehört, dass es so wat schon mal gegeben hat. Wenn's Glück bringt, 'nen schwatten Jung zu sehn – und dat muss es, wie bei 'ner Katze –, dann muss es wat bedeuten, wenn man 'nen schwatten Jung und 'nen blauen Kerl zusammen an ein Ort sieht. Aber wat?«
»Vielleicht bedeutet es tatsächlich etwas«, meinte Stephen, »aber nicht für dich. Vielleicht bedeutet es etwas für ihn. Oder für mich.«
»Nee, dat kann nich sein«, widersprach der Fuhrmann. »Ich bin's doch, dem's passiert.«
Stephen dachte über die merkwürdige
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