Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
Vom Netzwerk:
nicht half, mussten wir, das war uns klar, den Plan einer Schule aufgeben. Ich reiste nach Bath, um Mrs. Lennox davon in Kenntnis zu setzen. Sie war sehr freundlich und meinte, dass uns bald etwas anderes einfallen würde. Aber ich gebe zu, dass ich ihr Haus überaus verzagt verließ. Ich war erst ein paar Schritte gegangen, als ich etwas Merkwürdiges sah. Mitten auf der Straße stand eine Gestalt in schwarzen Lumpen. Seine entzündeten roten Augen waren bar aller Vernunft und Hoffnung. Er schlug mit den Armen auf die Phantome ein, die ihn bedrängten, und schrie, sie möchten Erbarmen mit ihm haben. Arme Seele. Die körperlich Kranken finden bisweilen Erlösung im Schlaf, aber ich wusste instinktiv, dass die Dämonen dieses Mannes ihm sogar in seine Träume folgten. Ich gab ihm ein paar Münzen und ging meines Weges. Ich glaube nicht, dass ich auf der Rückreise überhaupt an ihn gedacht habe, aber als ich über die Schwelle dieses Hauses trat, geschah etwas Sonderbares. Ich hatte, was ich wohl eine Vision nennen muss. Ich sah den rasenden Verrückten im Flur stehen – so wie ich ihn in Bath gesehen hatte –, und mir wurde etwas klar. Mir wurde klar, dass dieses stille, abgeschiedene Haus gut wäre für Menschen, die im Geiste unglücklich sind. Ich schrieb an Mrs. Lennox, und sie hieß meinen Plan gut. Sie sagten, Sie wüssten nicht, wer mich Sir Walter empfohlen hat. Es war Childermass. Childermass hatte angeboten, mir zu helfen, wenn es in seiner Macht stünde.«
    Stephen sagte: »Es wäre am besten, Sir, wenn Sie es vermeiden könnten, Ihren Beruf oder die Schule zu erwähnen, zumindest am Anfang. Nichts in der Welt – in dieser Welt oder jeder anderen – würde der Lady größere Pein zufügen, als in Bann eines weiteren Zauberers zu stehen.«
    »Bann!«, rief Mr. Segundus erstaunt. »Was für ein eigenartiges Wort das ist. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass sich niemand je als in meinem Bann stehend betrachten wird! Und schon gar nicht diese Dame!«
    Stephen musterte ihn eine Weile. »Ich bin sicher, dass Sie eine ganz andere Art Zauberer als Mr. Norrell sind«, sagte er.
    »Das hoffe ich«, sagte Mr. Segundus ernst.
    Eine Stunde später hörte man eine kleine Unruhe auf dem Hof. Stephen und Mr. Segundus gingen hinaus, um Lady Pole zu begrüßen. Die Pferde und die Kutsche hatten die Packpferdbrücke nicht überqueren können, und Lady Pole hatte die letzten fünfzig Schritte ihrer Reise zu Fuß gehen müssen. Sie betrat den Hof von Starecross Hall etwas beklommen und betrachtete die trostlose verschneite Umgebung. Stephen schien, dass nur das grausamste Herz ihren Anblick ertragen konnte, in all ihrer Jugend und Schönheit und mit ihrem traurigen Leiden, ohne zu wünschen, ihr allen nur erdenklichen Schutz angedeihen zu lassen. Innerlich verfluchte er Mr. Norrell.
    Etwas an ihrem Äußeren schien Mr. Segundus zu erschrecken. Er blickte auf ihre linke Hand, aber die Hand steckte in einem Handschuh. Er hatte sich sofort wieder unter Kontrolle und hieß sie in Starecross Hall willkommen.
    Im Salon servierte Stephen ihnen Tee.
    »Mir wurde gesagt, dass Sie über den Tod von Mrs. Strange überaus bestürzt sind«, sagte Mr. Segundus. »Darf ich Ihnen mein Beileid ausdrücken?«
    Sie wandte den Kopf ab, um ihre Tränen zu verbergen. »Es wäre angebrachter, es ihr auszudrücken statt mir«, sagte sie. »Mein Mann hat sich anerboten, Mr. Strange zu schreiben und ihn zu bitten, ein Bild von ihr auszuleihen, um mir zum Trost eine Kopie davon machen zu lassen. Aber was würde es nützen? Schließlich ist es unwahrscheinlich, dass ich ihr Gesicht vergessen werde, da sie und ich jede Nacht an denselben Bällen und Umzügen teilnehmen – und es vermutlich auch für den Rest unseres Lebens tun werden. Stephen weiß es. Stephen versteht es.«
    »Ah, ja«, sagte Mr. Segundus. »Sie mögen Tanz und Musik nicht, ich weiß. Seien Sie versichert, dass hier nichts dergleichen erlaubt ist. Hier wird es nur fröhliche Dinge geben und nichts, was Ihrem Glück nicht förderlich ist.« Er erzählte ihr von den Büchern, die sie gemeinsam lesen würden, und den Spaziergängen, die sie im Frühling machen würden, wenn Ihre Ladyschaft es wünschte.
    Stephen, der mit den Teesachen beschäftigt war, schien es eine ganz harmlose Unterhaltung – außer dass er ein–, zweimal beobachtete, wie Mr. Segundus von der Lady zu ihm und wieder zurückblickte, auf eine aufmerksame, durchdringende Weise, die ihn verwirrte und ihm unangenehm

Weitere Kostenlose Bücher