Jonathan Strange & Mr. Norrell
Hautfarbe des unbekannten Mannes nach. »Hat er eine Krankheit?«, fragte er.
»Kann sein«, sagte der Fuhrmann, der sich nicht festlegen wollte.
Nachdem sie gegessen hatten, nickte der Fuhrmann ein, und bald schlief er tief und fest mit den Zügeln in den Händen. Der Karren setzte unbeirrt seine Fahrt unter der Führung des Pferdes fort – ein Tier von ausgezeichnetem Verstand und großem Weitblick.
Es war eine ermüdende Fahrt für Stephen. Das traurige Exil von Lady Pole und der Verlust von Firenze bedrückten ihn. Er war froh, dass er eine Weile nicht mit dem Fuhrmann reden musste.
Einmal hörte er ein Murmeln, was darauf verwies, dass der blaue Mann aufwachte. Zuerst verstand er nicht, was der blaue Mann sagte, aber dann hörte er es ganz deutlich. »Der namenlose Sklave wird König in einem fremden Land sein.«
Ihm schauderte; es erinnerte ihn so mächtig an das Versprechen des Herrn, ihn zum König von England zu machen.
Es wurde dunkel. Stephen hielt das Pferd an, stieg vom Wagen und entzündete die drei alten Laternen, die am Wagen hingen. Er wollte gerade wieder aufsteigen, als eine zerlumpte, ungepflegt aussehende Person hinten aus dem Wagen kletterte, vor ihm auf den eisigen Boden sprang und dort stehen blieb.
Die ungepflegte Person betrachtete Stephen im Schein der Laternen. »Sind wir schon da?«, fragte er mit heiserer Stimme.
»Sind wir wo?«, fragte Stephen.
Der Mann dachte einen Augenblick nach und beschloss dann, seine ursprüngliche Frage umzuformulieren. »Wo sind wir?«, fragte er.
»Nirgendwo. Zwischen einem Ort namens Ulleskelf und einem anderen namens Thorpe Willoughby, glaube ich.«
Obwohl der Mann um diese Auskunft gebeten hatte, schien er sich nicht sehr dafür zu interessieren, als sie ihm gegeben wurde. Sein schmutziges Hemd war bis zur Taille offen, und Stephen sah, dass die Beschreibung des Fuhrmanns höchst irreführend gewesen war. Er war nicht blau, wie Stephen schwarz war. Er war ein magerer, anrüchiger Habicht von einem Mann, dessen Haut in ihrem natürlichen Zustand so weiß gewesen wäre wie die aller Engländer, aber sie war bedeckt von einer seltsamen Musterung blauer Linien, Schnörkel, Punkte und Kreise.
»Kennen Sie John Childermass, den Diener des Zauberers?«, fragte er.
Stephen erschrak – wie jeder erschrocken wäre, dem dieselbe Frage an zwei aufeinander folgenden Tagen von zwei vollkommen fremden Menschen gestellt würde. »Ich kenne ihn vom Sehen. Aber ich habe nie mit ihm gesprochen.«
Der Mann grinste und zwinkerte. »Seit acht Jahren sucht er mich. Bislang hat er mich noch nicht gefunden. Ich war in Yorkshire und habe mir das Haus seines Herrn angesehen. Es steht in einem großen Park. Ich hätte gern etwas gestohlen. Als ich in seinem Haus in London war, habe ich Pasteten gegessen.«
Es war etwas beunruhigend, sich in Gesellschaft eines geständigen Diebs zu befinden, aber Stephen empfand unwillkürlich eine Art Verbundenheit mit ihm, weil er den Zauberer bestehlen wollte. Wenn Mr. Norrell nicht gewesen wäre, wären Lady Pole und er nie verzaubert worden. Er griff in die Tasche und holte zwei Kronen heraus. »Hier«, sagte er.
»Und wofür ist das?«, fragte der Mann argwöhnisch (nahm jedoch die Münzen).
»Ich bedaure Sie.«
»Warum?«
»Weil Sie, wenn stimmt, was mir erzählt wurde, kein Zuhause haben.«
Der Mann grinste wieder und kratzte sich die schmutzige Backe. »Und wenn stimmt, was mir erzählt wurde, haben Sie keinen Namen.«
»Was?«
»Ich habe einen Namen. Er lautet Vinculus.« Er fasste nach Stephens Hand. »Warum weichen Sie vor mir zurück?«
»Das tue ich nicht«, sagte Stephen.
»Doch, das haben Sie getan. Gerade eben.«
Stephen zögerte. »Ihre Haut ist bemalt und verfärbt. Ich dachte, die Zeichen bedeuten vielleicht, dass Sie eine Krankheit haben.«
»Das ist es nicht, was meine Haut bedeutet«, sagte Vinculus.
»Bedeutet?«, sagte Stephen. »Das ist ein ungewöhnliches Wort in diesem Zusammenhang. Aber es stimmt – Haut kann eine ganze Menge bedeuten. Meine Haut bedeutet, dass mich jedermann an einem öffentlichen Ort schlagen darf, ohne die Folgen fürchten zu müssen. Sie bedeutet, dass meine Freunde nicht immer mit mir auf der Straße gesehen werden wollen. Sie bedeutet, dass ich, so viele Bücher ich auch lese, so viele Sprachen ich auch spreche, nie etwas anderes als eine Kuriosität sein werde – wie ein sprechendes Schwein oder ein Pferd, das rechnen kann.«
Vinculus grinste. »Und meine Haut
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